Bindung und Sucht
aufkommen und durchgearbeitet werden müssen. Im Modell der adaptiven Informationsverarbeitung des EMDR spricht man von der idealtypischen Metapher des Knotens(Node), dem Angriffspunkt im Netz der Traumainformation, meist repräsentiert durch eine prägnante Traumaerinnerung. Aus der therapeutischen Erfahrung entstand das Bild des Knotens mit seinen Informationskanälen (s. Abb., S 102). Es wurde nämlich beobachtet, dass nach Beginn der Reprozessierung z. B. zuerst visuelles Material in stetiger Veränderung verarbeitet wurde, bis das Bild klein, unscharf, friedlicher blieb, sich nicht mehr veränderte und somit neutral oder positiv erlebt wurde. Per definitionem ist das Ende eines Informationskanals erreicht, wenn das Material nach erneuter Stimulation zweimal neutral oder positiv ist.
Diese Art der Reprozessierung ist von großem Vorteil. Die Arbeit geschieht in Schritten. Patienten erleben einen Fortschritt und eine stufenweise Entlastung. Der Druck durch das mobilisierte Traumamaterial bleibt handhabbar. Dass der Druck des traumatischen Affekts nachlässt, führt zu einer Stärkung des Selbstwertgefühls. Ein Ausdruck dieser Veränderung ist eine Zunahme der fühlbaren Stimmigkeit der positiven Kognition.
Diese Phase des EMDR-Prozesses ist in der oft assoziativen Weise der Verarbeitung kreativ. Der Therapeut muss daher flexibel reagieren können und eigene Stabilität aufweisen, um dem Patienten hierbei das notwendige Maß an Unterstützung (»Containment«) zu geben, ohne dabei gleichzeitig dem eigendynamischen Verarbeitungsprozess im Informationsverarbeitungssystem des Patienten, der adaptiven Informationsverarbeitung, im Wege zu stehen. Eine gründliche Ausbildung in der EMDR-Methode, wie vom EMDR-Institut Deutschland angeboten, und ausreichende Selbsterfahrung im Verfahren sind hier von großer Hilfe (Hase & Hofmann 2005).
Phase 5: Verankerung
Nachdem der emotionale Druck des Traumas in Phase 4 ausreichend abgenommen hat, wird die in Phase 3 erarbeitete oder eine nach dem Verarbeitungsprozess korrigierte positive Kognition in Erinnerung gerufen und überprüft. Während negative traumatische Empfindungen durch die bilaterale Stimulation abgeschwächt werden, wird diese positive Kognition durch eine bilaterale Stimulation verstärkt und scheint dadurch nachhaltiger aufgenommen zu werden.
Phase 6: Körper-Test
Im Körper-Test wird nach eventuell persistierenden sensorischen Erinnerungsfragmenten (»Körpererinnerungen«) des Traumas gesucht, und diese werden, wenn nötig, unter Hilfe bilateraler Stimuli reprozessiert.
Phase 7: Abschluss
Abschließend wird die häufig für den Patienten sehr eindrückliche Erfahrung nachbesprochen. Sollte die dysfunktionale Information nicht komplett durchgearbeitet worden sein oder frisches Material auftauchen, kann eine stabilisierende Arbeit hilfreich sein. Auch werden Interventionsregeln für eine eventuelle Krise besprochen. Dies ist sinnvoll, weil der in der EMDR-Sitzung angestoßene Prozess nach der Sitzung in abgeschwächter Form weiterlaufen kann. Traumaassoziiertes Material kann in Erinnerungen, Träumen, Gefühlen und Einfällen auch in der Zeit bis zur nächsten Sitzung auftauchen. Der Patient sollte auf diese Möglichkeit vorbereitet werden.
Phase 8: Nachbefragung
Diese letzte Phase findet zu Beginn der nächsten Stunde statt und gibt nicht selten, z. B. durch Träume oder neu aufgetauchte Erinnerungssplitter, Hinweise auf weitere zu bearbeitenden Traumaanteile. Gegebenenfalls noch vorhandene Belastungsreste werden erneut reprozessiert, oder es werden – sofern erforderlich – weitere Erinnerungen bearbeitet. Auch kann eine Rückkehr zur Stabilisierung notwendig werden, falls die Belastung durch auftauchendes Traumamaterial zunimmt und die adaptiven Copingstrategien überfordert.
EMDR in der Behandlung Abhängiger
Am Anfang der Entwicklung stand die Behandlung der komorbiden PTBS. Shapiro und andere haben hier schon früh die Notwendigkeit der Arbeit an traumatischer Erinnerung dargelegt (Shapiro 1994; Zweben & Yeary 2006). Die Behandlung einer PTBS, die mit ihrem Symptomdruck zur Abhängigkeit beiträgt, ist für den Betroffenen von großem Gewinn. Ohne den Symptomdruck der PTBS kann der Abhängige erlernte Strategien zum Umgang mit der Abhängigkeit effektiver einsetzen. Je nach der Schwere der PTBS und der Abhängigkeit verändert sich die Situation. Die für die Durchführung einer Psychotraumatherapie erforderliche Stabilität ist bei schwerer
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