Bindung und Sucht
betroffenen Abhängigen oftmals nicht einfach zu erreichen. Die strukturierte, kombinierte Entwöhnungsbehandlung und Psychotraumatherapie ist ein notwendiges Angebot, dass bisher an wenigen Entwöhnungseinrichtungen beispielhaft realisiert wurde. Bei den schwerer betroffenen Abhängigen ist die Behandlungssituation oft chaotisch und sozialinstabil. Daher ist bei dieser Patientengruppe eine flexible Integration der EMDR-Interventionen notwendig. Interventionen dienen oftmals umschriebenen Zielen und sollten im Sinne einer fraktionierten Therapie auch in den relativ kurzen Zeiteinheiten z. B. einer stationären qualifizierten Entgiftung einzubringen sein. Ziele solcher therapeutischer Interventionen sind den speziellen Bedürfnissen der Patienten anzupassen. Erste Berichte über die Sicherheit und Effektivität der Behandlung sind kürzlich veröffentlicht worden (Marich 2009, 2010).
Aus der Anwendung des Krankheitsmodells der EMDR-Methode – des AIP-Modells – wurde eine EMDR-Intervention in Bezug auf das Suchtgedächtnis entwickelt und in einer Pilotstudie erprobt (Hase et al. 2008). Wie schon dargestellt, sind die ersten Ergebnisse ermutigend. Eine Einzelfallstudie zur Anwendung in der klinischen Praxis wurde vor kurzem veröffentlicht (Abel & O’Brien 2010). Eine Veränderung der maladaptiven, impliziten Gedächtnisform, also des Suchtgedächtnisses, würde die Chancen erhöhen, dass der Abhängige seine erlernten Bewältigungsstrategien mit Erfolg einsetzt, da Craving in der Intensität abnimmt. Theoretisch ist dieser therapeutische Ansatz drogenunspezifisch anwendbar. Hier stehen aber noch Erfahrungen aus. Ich habe hier mit dem CravEx R -Ansatz einen umfassenden Behandlungsplan im Sinne eines EMDR-Protokolls vorgelegt (Hase 2010). Es scheint eine therapeutische Möglichkeit zu entstehen, die in dieser Form noch nicht bestand und das Repertoire der Behandlung stoffgebundener Abhängigkeit bereichert.
Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung von komorbiden Abhängigen
EMDR bietet als etablierte Methode der speziellen Psychotraumatherapie ein gutes Angebot in der Behandlung komorbider Abhängiger. Die Flexibilität im Behandlungsaufbau ist in Anbetracht der speziellen Anforderungen bei komorbiden Abhängigen in besonderer Weise geeignet und gleichermaßen notwendig. Die Möglichkeit der assoziativen Verarbeitung im EMDR-Prozess beinhaltet die Chance einer ökonomischen Durcharbeitung traumatischen Materials und gleichzeitig das Risiko einer Überforderung des Patienten (Hase & Hofmann 2005). Die Behandlungsplanung und der Aufbau der Therapie müssen deshalb den Erfordernissen der komorbiden Abhängigen in besonderer Art und Weise angepasst und die EMDR-Therapie sorgfältig durchgeführt werden.
Hier spielen folgende Überlegungen eine Rolle: In der Arbeit mit komorbiden Abhängigen haben wir es zum großen Teil mit schwer traumatisierten Patientenund demnach mit komplexen Störungsbildern zu tun. Die suchtspezifische Stabilisierung hat unbedingt Vorrang. Soziale Stabilität und Sicherheit sind Grundbedingungen für eine EMDR-Behandlung des komorbiden Abhängigen. Dabei bedarf es im Setting großen Einfallsreichtums und großer Flexibilität. Eine genuine EMDR-Intervention am Suchtgedächtnis scheint anhand der bisher vorgelegten Daten möglich. Hier könnte die bestehende Therapie der Abhängigkeitserkrankungen um eine wertvolle Facette bereichert werden. Eine solche EMDR-Intervention am Suchtgedächtnis lässt sich auch in die bestehenden Prozeduren der EMDR-Methode zwanglos einordnen. Unter Einbeziehung der bekannten Anweisungen zur Behandlung komplex traumatisierter Patienten und der Ansätze zur Ressourcenstärkung scheint die Entwicklung eines klar gegliederten EMDR-Protokolls zur Behandlung der stoffgebundenen Abhängigkeit möglich.
In der Therapie der oftmals schwer traumatisierten Abhängigen bedarf es einer besonderen Expertise hinsichtlich der Patientengruppe und eines präzisen Umgangs mit dem psychotherapeutischen Handwerkszeug EMDR. Die Ausbildung in der EMDR-Methode sollte daher hinsichtlich der Auswahl der Ausbildungskandidaten und der Ausbildungsinhalte strengen Qualitätskriterien unterliegen (vgl. www.emdria.de ). Die Qualität der Ausbildung – dies beinhaltet auch die Ausbildung von Supervisoren und Ausbildern – darf keinesfalls hinter ökonomischen Interessen zurücktreten. Hier sehen wir einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätssicherung und eine Aufgabe der Fachgesellschaften
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