Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
Schmuck auf der Trennwand, der sie vom Schlafplatz über ihr abschirmt und den Abfall ihrer Nachbarn daran hindert, auf sie herabzuregnen. Das Holz verströmt den Gestank von Leinöl, ein übelkeiterregender Geruch in dem heißen Loch. In Japan gibt es Vorschriften für den Einsatz
solchen Holzes in Wohnräumen. Hier in den Hochhausslums kümmert das niemanden.
Emikos Lungen brennen. Sie atmet flach und lauscht dem Ächzen und Schnarchen der anderen Leiber. Aus dem Sarg über ihr dringt kein Geräusch zu ihr herunter. Puenthai ist also noch nicht zurück. Sonst wäre es ihr längst schlecht ergangen, sie wäre getreten oder gefickt worden. Nur selten übersteht sie einen ganzen Tag, ohne misshandelt zu werden. Puenthai ist noch nicht zu Hause. Vielleicht ist er tot. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hat, war sein Hals schon fast unter der fa’gan -Wucherung verschwunden gewesen.
Sie windet sich aus ihrem Sarg heraus und richtet sich in dem schmalen Spalt zwischen der Kammer und der Tür auf. Reckt sich noch einmal und streckt dann die Hand aus, um nach ihrer Plastikflasche zu tasten, die vom Alter ganz gelb und dünnwandig geworden ist. Trinkt das blutwarme Wasser. Schluckt krampfhaft – wenn sie doch nur Eis hätte!
Zwei Stockwerke höher gibt eine Brettertür nach, und sie taumelt auf das Dach hinaus. Sonnenlicht und Hitze hüllen sie ein. Obwohl es nirgendwo Schatten gibt, ist es hier kühler als in ihrem Sarg.
Überall um sie herum rascheln Wäscheleinen mit Pha Sin und Hosen in der Meeresbrise. Die Sonne geht bereits unter, und die Spitzen der Wats und Chedi gleißen in dem schwächer werdenden Licht, das Wasser der Khlongs und des Chao Phraya funkelt. Spannfederboote und Trimaranklipper gleiten über rote Spiegel.
Im Norden verliert sich der Blick im Dunst der Dungfeuer und im Wabern der schwülen Luft. Aber irgendwo dort, wenn man dem blassen Farang mit der Narbe Glauben schenken kann, leben Aufziehmenschen. Irgendwo jenseits der Armeen, die um Kohle und Jade und Opium Kriege führen, wartet ihr verschollener Stamm auf sie. Sie war nie eine Japanerin,
sondern immer ein Aufziehmädchen. Und jetzt kann sie sich ihrem wahren Klan anschließen, wenn sie nur einen Weg zu ihm findet.
Sie starrt noch einen Moment lang sehnsüchtig nach Norden und geht dann zu dem Eimer, den sie gestern Abend hier abgestellt hat. In den oberen Stockwerken gibt es kein Wasser – dafür reicht der Druck nicht –, und das Risiko, an den öffentlichen Pumpen zu baden, ist zu groß, also kämpft sie sich jede Nacht mit ihrem Wassereimer die Treppe hinauf und lässt ihn für den nächsten Tag hier stehen.
Hier oben im Freien, im Schein der untergehenden Sonne ist sie für sich. Die sorgfältige Reinigung ist zu einem Ritual geworden. Ein Eimer Wasser, ein winziges Stück Seife. Sie geht neben dem Eimer in die Hocke und schöpft das warme Wasser über sich. Ihre Bewegungen sind zielstrebig und präzise, ein choreografierter Tanz wie Jo No Mai, jede einzelne Handlung wohldurchdacht, eine Anbetung des Mangels.
Sie schöpft sich eine Kelle Wasser über den Kopf. Es rinnt ihr übers Gesicht, über Brüste und Rippen und Schenkel, tropft auf den heißen Beton. Noch eine Kelle, um ihr schwarzes Haar zu tränken. Wasser läuft ihr das Rückgrat hinunter und über die Pobacken. Noch eine Kelle. Wasser ergießt sich über ihre Haut wie Quecksilber. Und dann die Seife – sie reibt sie sich ins Haar und in die Haut, reinigt sich von den Kränkungen der letzten Nacht, bis sie ganz in fahlen Schaum eingehüllt ist. Und wieder der Eimer und die Kelle – sie spült die Seife ebenso vorsichtig ab, wie sie sich eben noch nass gemacht hat.
Das Wasser wäscht die Seife und den Schmutz fort und sogar einen Teil der Scham. Selbst wenn sie sich eintausend Jahre lang schrubben würde, wäre sie nie ganz sauber, aber sie ist müde, und es ist ihr gleichgültig, und sie hat sich an die Narben gewöhnt, die sie nicht abspülen kann. Den Schweiß,
den Alkohol, das feuchte Salz, das Sperma und die Erniedrigung – all das kann sie beseitigen. Und das genügt. Sie ist zu müde, um fester zu schrubben. Immer ist ihr zu heiß, und immer ist sie zu müde.
Nachdem sie fertig ist, stellt sie erfreut fest, dass noch ein wenig Wasser in dem Eimer übrig ist. Sie schöpft eine Kelle voll und trinkt hastig. Und dann, in einer verschwenderischen, zügellosen Geste, dreht sie den Eimer um und lässt das Wasser in einem einzigen erlösenden Guss über sich
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