Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
rauschen. In diesem einen Moment, während das Wasser ihren Körper entlangströmt, bevor es zwischen ihren Zehen auf den Betonboden trifft, ist sie sauber.
Draußen auf der Straße versucht sie, sich unauffällig in das alltägliche Treiben einzufügen. Mizumi-sensei hat ihr beigebracht, auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu gehen, die ihre ruckartigen Bewegungen betont und zur Geltung bringt. Wenn Emiko sich jedoch große Mühe gibt und gegen ihre Wesensart und ihre Konditionierung ankämpft – wenn sie einen Pha Sin trägt und nicht mit den Armen schlenkert –, fällt sie fast nicht auf.
Entlang der Gehwege hocken Schneiderinnen neben Nähmaschinen und warten auf abendliche Kunden. Essensverkäufer stapeln die Reste ihrer Waren ordentlich aufeinander und warten auf die letzten Gäste des Tages. Garküchen stellen Bambushocker und -tische für die Nacht hinaus – die rituelle Vereinnahmung der Straße, die in einer tropischen Stadt anzeigt, dass der Tag zu Ende ist und das Leben wiedererwacht.
Emiko bemüht sich, nicht alles anzustarren; es ist lange her, seit sie sich das letzte Mal getraut hat, bei helllichtem Tag auf die Straße zu gehen. Als Raleigh ihren Schlafsarg erwarb, erteilte er ihr strikte Anweisungen. Er konnte sie nicht in Ploenchit wohnen lassen – selbst Huren und Zuhälter und
Drogenabhängige haben ihre Grenzen –, also brachte er sie in einem Slum unter, wo die Bestechungsgelder niedriger und die Nachbarn nicht wählerisch waren, was den Abschaum betraf, der neben ihnen wohnte. Aber seine Befehle waren unmissverständlich gewesen: Geh nur nachts hinaus, halte dich im Dunkeln, komm auf direktem Wege in den Club und geh auf direktem Wege nach Hause zurück. Sonst konnte er für nichts garantieren.
Die Härchen in ihrem Nacken richten sich auf, während sie durch die Menschenmassen schlüpft. Den meisten Leuten ist sie gleichgültig. Ein Vorteil ist, dass die Leute bei Tageslicht viel zu beschäftigt sind, um auf ein Geschöpf wie sie irgendwelche Gedanken zu verschwenden, wenn sie ihre seltsamen Bewegungen denn überhaupt bemerken. Wenn im Dunkel der Nacht die grünen Methanlampen flackern, gibt es weniger Augenpaare, aber sie sind müßig, ganz high von Yaba oder Lao Lao und haben Zeit und Gelegenheit, ihr nachzustellen.
Eine Frau, die vom Umweltministerium zertifizierte Papayaschnitze verkauft, beobachtet sie misstrauisch. Emiko zwingt sich, nicht in Panik zu geraten. Sie geht weiter die Straße entlang, setzt affektiert einen Fuß vor den anderen und versucht sich einzureden, dass sie exzentrisch wirkt und nicht wie eine genetische Missgeburt. Das Herz pocht ihr gegen die Rippen.
Du gehst zu schnell. Schön langsam. Du hast Zeit. Nicht so viel, wie du gerne hättest, aber doch genug, um Fragen zu stellen. Langsam. Hab Geduld. Verrate dich nicht. Dir darf nicht zu heiß werden!
Ihre Handflächen sind schweißnass – der einzige Teil ihres Körpers, der sich jemals kühl anfühlt. Sie streckt die Finger aus, als wären ihre Hände Fächer. An einer öffentlichen Pumpe bleibt sie stehen, spritzt sich Wasser auf die Haut und trinkt in tiefen Zügen, froh darüber, dass die Neuen Menschen
von bakteriellen oder parasitären Infektionen wenig zu befürchten haben.
Wäre sie kein Neuer Mensch, würde sie einfach in den Bahnhof Hua Lamphong hineinstolzieren, einen Fahrschein für einen Spannfederzug kaufen, damit in die Bergregionen von Chiang Mai fahren und sich von dort aus in die Wildnis durchschlagen. Nichts leichter als das. Stattdessen muss sie listig sein. Die Straßen sind bestimmt bewacht. Jeder Weg, der nach Nordosten und zum Mekong führt, wird mit Soldaten verstopft sein, die zwischen der Ostfront und der Hauptstadt hin und her transportiert werden. Ein Neuer Mensch würde Aufmerksamkeit erregen, zumal aufseiten der vietnamesischen Armee Aufziehmenschen kämpfen.
Aber es gibt einen anderen Weg. Aus ihrer Zeit bei Gendo-sama weiß sie, dass ein Großteil der Frachtgüter des Königreichs auf dem Fluss befördert werden.
Emiko biegt in die Thanon Mongkut, die zu den Docks und den Deichen führt, und bleibt unvermittelt stehen. Weißhemden. Sie drückt sich gegen eine Wand, während die beiden vorbeischlendern. Sie schauen sie nicht einmal an – wenn sie sich nicht bewegt, verschmilzt sie mit ihrer Umgebung –, aber trotzdem, kaum sind sie außer Sichtweite, verspürt sie den Drang, sich wieder in ihrem Hochhaus zu verkriechen. Die meisten Weißhemden dort sind geschmiert.
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