Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
den Vorhang zugezogen, damit niemand das Aufziehmädchen sieht, doch er weiß sich zu beherrschen. Unter den Woks zucken grüne Flammen empor und verraten, dass sie mit vom Umweltministerium besteuertem Methan gespeist
werden. Der Schweißfilm auf der dunklen Haut der Menschen ist kaum zu sehen. Um ihre Füße streunen Cheshire, stets auf der Jagd nach ein paar hingeworfenen Brocken oder nach Gelegenheiten, etwas zu stehlen.
Der Schatten einer Cheshire löst sich aus der Finsternis, und Lao Gu muss ihm ausweichen. Leise flucht er in seiner Muttersprache. Emiko lacht freudig überrascht und klatscht in die Hände. Lao Gu wirft ihr einen wütenden Blick zu.
»Du magst Cheshire?«, fragt Anderson.
Emiko sieht ihn erstaunt an. »Sie nicht?«
»In meiner Heimat können wir sie gar nicht schnell genug umbringen«, sagt er. »Selbst Grahamiten zahlen für ihr Fell mit barer Münze. Wahrscheinlich die einzige Sache, bei der ich mit ihnen übereinstimme.«
»Mmm, ja.« Emiko runzelt nachdenklich die Stirn. »Für diese Welt sind sie wohl zu vollkommen, glaube ich. Ein natürlicher Vogel hat jetzt fast keine Chance mehr.« Sie lächelt leicht. »Stellen Sie sich vor, sie hätten die Neuen Menschen zuerst gemacht!«
Funkelt da Schalk in ihren Augen? Oder ist es Melancholie? «
»Was, meinst du, wäre dann geschehen?«, fragt Anderson.
Emiko erwidert seinen Blick nicht, sondern beobachtet die Katzen, die zwischen den Essenden umherhuschen. »Die Genfledderer haben von den Cheshire zu viel gelernt.«
Mehr sagt sie nicht, aber Anderson kann erraten, was ihr durch den Kopf geht. Wenn ihresgleichen zuerst erschaffen worden wäre, bevor die Genfledderer dazulernten, wäre sie nicht steril gemacht worden. Sie würde sich nicht auf diese abgehackte Art und Weise bewegen, die sie immer und überall verrät. Vielleicht wäre ihr Design sogar so vollkommen wie das der Aufziehsoldaten, die jetzt in Vietnam kämpfen – tödlich und furchtlos. Ohne das Vorbild der Cheshire hätte
Emiko vielleicht die Gelegenheit gehabt, die Menschheit zu verdrängen, einfach weil sie besser war. Stattdessen ist sie eine genetische Sackgasse, dazu verurteilt – wie SoyPRO und TotalNutrient Wheat –, nur einen einzigen Lebenszyklus zu durchlaufen.
Eine weitere Schattenkatze flitzt über die Straße, ein flüchtiges Flackern in der Dunkelheit. Eine Hightech-Hommage an Lewis Carroll; es bedurfte nur weniger blinder Passagiere an Bord von Luftschiffen und Klippern, um innerhalb von kürzester Zeit ganze Tierarten auszurotten, die nicht dafür ausgerüstet waren, sich einer unsichtbaren Bedrohung zu erwehren.
»Unser Fehler wäre uns irgendwann aufgefallen«, gibt Anderson zu bedenken.
»Ja. Natürlich. Aber möglicherweise nicht rechtzeitig.« Unvermittelt wechselt sie das Thema. Deutet mit einer Kopfbewegung auf einen Tempel, der sich am Nachthimmel abzeichnet. »Sie sind hübsch, nicht wahr? Gefallen Ihnen die Tempel hier?«
Anderson fragt sich, ob sie das Thema gewechselt hat, um einem Streit aus dem Weg zu gehen, oder ob sie nicht eher fürchtet, er könnte ihr Hirngespinst zerpflücken. Er betrachtet die Chedi und Bot, die den Tempel schmücken. »Sie sind weit ansehnlicher als das, was die Grahamiten bei mir zu Hause errichten.«
»Grahamiten.« Sie verzieht das Gesicht. »Die machen sich solche Sorgen um Nische und Natur. Sind so sehr damit beschäftigt, Noahs Arche zu bauen, und das, nachdem die Sintflut bereits Wirklichkeit geworden ist.«
Anderson muss an Hagg denken und wie erschüttert der Priester angesichts der Zerstörungen war, die der Elfenbeinkäfer anrichtet. »Wenn sie könnten, würden sie uns verbieten, unseren Heimatkontinent zu verlassen.«
»Das ist unmöglich, glaube ich. Die Menschen breiten sich eben immer weiter aus. Füllen neue Nischen.«
Die goldene Filigranverzierung des Tempels schimmert matt im Mondlicht. Die Welt rückt tatsächlich wieder näher zusammen. Anderson musste nur ein paar Mal von einem Luftschiff in einen Klipper und von einem Klipper in ein Luftschiff umsteigen, und schon klappert er auf der anderen Seite des Planeten durch dunkle Straßen. Es ist erstaunlich. Für seine Großeltern war es noch unmöglich, zwischen einem Vorort und dem Stadtzentrum hin und her zu pendeln. Sie erzählten ihm oft Geschichten, wie sie verlassene Straßenzüge erkundeten, auf der Suche nach irgendwelchen Dingen, die sie gebrauchen konnten. Ganze Stadtteile waren während der Ölkontraktion zerstört worden! Zehn
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