Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
ihre Herren zurückkehren. Also sind die Zeugen bereits eingetroffen.
Ihre Rikscha drängelt sich an den parkenden Fahrzeugen vorbei bis zum Tempel. Wat Phra Seub wurde auf dem Gelände des Ministeriums errichtet, um den Märtyrer der Biodiversität zu ehren. Hier legen die Weißhemden ihr Gelübde ab, hier werden sie in aller Form zu Hütern des Königreichs geweiht, bevor sie ihren ersten Dienstgrad erhalten. Und hier …
Jaidee zuckt zusammen, und fast wäre er vor Wut aufgesprungen. Überall auf den Stufen des Tempels laufen Farang umher. Ausländer auf dem Gelände des Ministeriums! Kaufleute und Fabrikbesitzer und Japaner – schwitzende, stinkende Kreaturen mit Sonnenbrand, die in das Allerheiligste des Ministeriums eindringen.
»Jai yen yen«, murmelt Kanya. »Darauf hat Akkarat bestanden. Es ist Teil der Abmachungen.«
Jaidee kann seine Entrüstung nicht verbergen. Aber es kommt noch schlimmer: Neben dem Somdet Chaopraya steht Akkarat und sagt etwas zu ihm – vielleicht erzählt er ihm einen Witz. Die beiden sind viel zu gut miteinander befreundet. Jaidee wendet den Blick ab und entdeckt auf der obersten Stufe des Tempels General Pracha, der mit ausdrucksloser Miene alles beobachtet. An ihm vorbei in den Tempel hinein strömen die Brüder und Schwestern, mit denen zusammen Jaidee gearbeitet und gekämpft hat. Bhirombhakdi ist ebenfalls da; er lächelt breit, weil er sich nun für die verlorenen Einnahmen rächen kann.
Die Leute bemerken, dass Jaidee eingetroffen ist. Schweigen senkt sich auf die Menge herab.
»Jai yen yen«, murmelt Kanya erneut, und dann steigen sie aus, und er wird hineineskortiert.
Goldene Statuen des Buddha und von Phra Seub blicken voller Gelassenheit auf die Versammlung herab. Die Bildteppiche an den Wänden des Tempels zeigen Szenen vom
Untergang des Alten Reiches: wie die Farang ihre Seuchen auf die Erde loslassen, wie Tiere und Pflanzen zugrunde gehen, als ganze Ökosysteme zerfallen; wie Seine Majestät König Rama XII. seine jämmerlichen Streitkräfte zur letzten Schlacht aufmarschieren lässt, von Hanuman und seinen Affenkriegern flankiert. Bilder von Krut und Kirtimukha und einer Armee halbmenschlicher Kala, die sich der ansteigenden Meere und allgegenwärtigen Seuchen zu erwehren suchen. Jaidees Blick schweift über die Vertäfelung – er weiß noch gut, wie stolz er war, als er hier geweiht wurde.
Nirgendwo auf dem Gelände des Ministeriums sind Kameras erlaubt, aber die Schreiberlinge der Flüsterblätter stehen alle mit ihren Bleistiften bereit. Jaidee zieht die Schuhe aus und tritt ein, gefolgt von geifernden Schakalen, die ihren größten Feind den Garaus machen möchten. Der Somdet Chaopraya kniet neben Akkarat.
Jaidee mustert den designierten Beschützer der Königin und fragt sich, wie es möglich ist, dass ein so überragender Mann wie der letzte König sich so sehr hat täuschen lassen, dass er den Somdet Chaopraya zum Beschützer Ihrer Majestät der Kindskönigin erklärte. An dem Mann ist nur wenig Gutes. Bei dem Gedanken, dass jemand, der sich bekanntermaßen der Finsternis verschrieben hat, der Königin so nahesteht, überläuft Jaidee ein Schauder …
Unvermittelt holt er tief Luft. Der Mann vom Ankerplatz kniet neben Akkarat. Ein schmales Rattengesicht, wachsam und arrogant.
»Behalten Sie ein kühles Herz«, murmelt Kanya, während sie ihn weiterführt. »Chaya zuliebe.«
Jaidee zwingt seinen Zorn hinunter, seine Bestürzung darüber, diesen Mann hier zu sehen. Er beugt sich zu Kanya hinüber. »Das ist der Kerl, der sie entführt hat. Den ich auf dem Landeplatz gesehen habe. Dort drüben! Neben Akkarat!«
Kanya folgt seinem Blick. »Selbst wenn das stimmt, müssen wir das hier jetzt hinter uns bringen. Es gibt keinen anderen Weg.«
»Glauben Sie das wirklich?«
Kanya besitzt den Anstand, den Kopf zu senken. »Es tut mir leid, Jaidee. Ich wünschte …«
»Schon gut, Kanya.« Er deutet mit einer Kopfbewegung auf Akkarat und seinen Begleiter. »Aber prägen Sie sich die beiden gut ein. Und vergessen Sie nie – die schrecken vor nichts zurück.« Er sieht sie an. »Haben Sie das verstanden?«
»Ja, das habe ich.«
»Schwören Sie es bei Phra Seub?«
Obwohl er sie offenbar in Verlegenheit gebracht hat, nickt sie. »Wenn ich mich dreifach vor Ihnen verneigen könnte, würde ich das jetzt tun.«
Sie bleibt zurück, und er glaubt, Tränen in ihren Augen zu sehen. Die Menge verstummt, als der Somdet Chaopraya sich erhebt und vortritt, um dem
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