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Bios

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Titel: Bios Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein herkömmlicher Raumfahrer zeitlebens reisen konnte. Sie hatte die äußerste Grenze der menschlichen Diaspora erreicht, den schwindelerregenden Rand des Abgrunds, und sie verdiente einen direkten Blick auf den Planeten, der sie so weit hinausgelockt hatte – oder?
    Damals hatten die Astronomen vom ›ersten Licht‹ geredet – dem ersten Blick durch ein nagelneues optisches Instrument. Zoe hatte Isis durch allerhand optisches Instrumentarium gesehen, aber noch nie mit bloßen Augen. Jetzt wünschte sie sich diesen direkten Blick, ihr ganz persönliches ›erstes Licht‹.
    Stattdessen hatte sie drei Tage im Krankenrevier der IOS unter überflüssiger Beobachtung verbracht und eine Woche lang die ihr zugewiesene Kabine gehütet und auf einen Platz im Dienstplan gewartet. Zehn Tage seit Ankunft: keine Anweisungen, kein Terminplan, nur ein knapper Gruß der Direktion. Bis heute hatte sie nur die freundlichen, konkaven Wände und Stahlböden ihres Kabuffs und ihres Rehazimmers in der Medizinischen gesehen. Die einzigen offiziellen Mitteilungen, die sie bekommen hatte, waren eine Liste der Essenszeiten, ein Zugangscode, ihre Residenznummer und ein Abzeichen mit ihrem Namen.
    Folglich nahm Zoe all ihren Mut zusammen und vereinbarte einen Termin mit Kenyon Degrandpre, dem Leiter des Außenpostens. Sie staunte über ihre Unverschämtheit. Wahrscheinlich hätte sie erst mit ihrem Abteilungsleiter reden sollen… doch niemand hatte ihr gesagt, wer das war oder wo er oder sie zu finden war.
    Die Isis-Orbitalstation war aus Elementen früher Higgs-Kugeln zusammengesetzt und glich einer Perlenkette. Die Karten an den Korridorwänden erinnerten Zoe an die Darstellungen von Benzolringen in Chemietexten; die Fusionsflaschen des Außenpostens und die Wärmetauscher ragten wie komplexe Nebenketten aus dem symmetrischen Kern. Am Morgen ihres Termins mit Degrandpre verließ Zoe ihre winzige Kabine am Grund von Habitat Sieben und folgte dem Ringkorridor einen Kilometer in Rotationsrichtung, was nahezu der halbe Umfang der IOS war. Im Ringkorridor roch es nach heißem Metall und wiederaufbereiteter Luft, wie in einem Kuiper-Habitat, aber ohne den stets gegenwärtigen Beigeschmack von Eis in der Luft. Schotts dräuten wie massive Fallbeile; die Gänge waren eng und hatten weder Charme noch Fenster. Dieser Ort war nicht so seelenlos und unkultiviert wie Phoenix gewesen war, er war aber auch keine typische Kuiper-Welt, voller Farben und lärmender Kinder. Hier dominierte terrestrische Ästhetik: kompromisslose Funktionalität, erzwungen durch strikte Frachtbeschränkungen.
    Fenster waren Luxus, vermutete Zoe. Nach den IOS-Plänen, die sie an ihrem Terminal studiert hatte, hatte das Büro des Projektleiters eines der wenigen zugänglichen Direktsichtfenster; der Keil aus drei Zoll dickem, polarisiertem Glas saß in der Außenwand. Die übrigen Fenster der Station waren winzige Scharten in den Andockbuchten, ein Bereich, zu dem Zoe noch keinen Zutritt hatte. Egal. Sie musste mit Degrandpre reden. Das Fenster war bloß… ein willkommener Nebeneffekt.
     
    *
     
    Dem Namen nach hätte er durchaus von Adel sein können – gab es nicht Degrandpres unter den brasilianischen Grundbesitzern? –, doch Kenyon Degrandpre war keine gut aussehende oder imposante Erscheinung. Ein Manager von Rang, aber nicht von Adel. Sein Kopf war zu lang, die Nase zu flach. Zoes Erfahrungen mit den oberen Rängen des Kartells hatten sie gelehrt, dass gut aussehende Manager durchaus eine gewisse Großzügigkeit an den Tag legten; unansehnliche – obwohl auch diese Beschreibung nicht ganz auf Degrandpre zutraf, zumindest nicht nach terrestrischem Maßstab –, unansehnliche Männer pochten eher auf Bestimmungen und nährten ihren Groll. Sie wusste hundertprozentig, hatte es immer schon gewusst, dass die Bürokratie des Kartells hauptsächlich aus solchen sturen Zeitgenossen bestand. Aber ein Mann, der eine Isis-Orbitalstation, genau genommen das ganze Isis-Projekt leitete – er musste doch flexibler sein. Oder?
    Vielleicht nicht. Degrandpre hob kurz seinen voluminösen Kopf und winkte Zoe zu einem Stuhl, doch er studierte weiterhin den Bildschirm.
    Zoe stellte sich stattdessen ans Fenster. Fenster war zu viel gesagt. Vermutlich machten die brutalen Frachtbeschränkungen der Higgs-Schleudern selbst einen so bescheidenen Luxus unerschwinglich teuer. Dennoch, das war jetzt das erste Mal, dass sie den Planeten ohne Umschweife zu Gesicht bekam. Unmittelbares Licht,

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