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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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entsprechend vor. Mit einer harmlosen Ausrede blieb ich zurück und marschierte nun allein - zwar langsamer, jedoch ganz ohne Streß. Ich übe r holte gar den einen oder anderen noch langsameren Pilger, darunter auch den Saarbrücker, der mir erschrocken auswich und vorgab, mich nicht zu sehen. Gewiß vermißte er die Mauer, um die Nase dran zu drücken, wie es vor mir die spanischen Hunde taten. Etwas übertrieben und fast lächerlich, fand ich, grübe l te aber nicht mehr darüber. Das tat ich schon mehrmals zuvor und stets ohne R e sultat. Warum ich in Frankreich fast allen genehm war, und hier in Spanien den Status eines Aussätzigen hatte, stand über meinem intellektuellen Horizont. Es war ohnehin fast vorbei. Es waren nur noch anderthalb Tage bis Finisterre. We i ter konnte man nur noch schwimmen. Allerdings bestand die Versuchung, wie im Mittelalter zu Fuß nach Hause zu wandern. Dieser ganze Weg war wie ve r zaubert, und man mußte sich vor leichtsinnigen Gedanken sehr in acht nehmen. Sie konnten Wirklichkeit werden. Herbst und Winter standen an, ich war krank, habe mein Gelöbnis vor dem Herrn erfüllt, hatte keinen Anlaß und vermutlich nicht mehr genug Geld für eine Rückreise zu Fuß, doch hätte ich hier der Vers u chung nachgegeben, ich wäre, so wie ich hierher kam, wieder zu Fuß nach Ha u se marschiert. Und hätte ich auch nur eine einzige winzig kleine Tagesetappe zurückgelegt. Eine Weile haftete der Gedanke an mir wie die Klette.
    So verging der Tag, obwohl ereignislos, doch wie im Fluge. Kurz vor Olveirola holte ich Rachel ein, der Cambridge-Student ging ihr irgendwo verschütt. Wir zogen gemeinsam in die Ortschaft ein und belegten eines der historischen Dor f häuser, die man als Pilgerunterkünfte restaurierte. Es sind kleine romantische Häuschen aus geschichtetem Stein, für etwa vier Personen. So etwas hätte ich selbst gerne als Sommerresidenz irgendwo im Süden. Wir nisteten uns mit R a chel im ersten Stock ein. Guter Platz. Nur über eine schmale Treppe erreichbar und fast uneinnehmbar. Echt romantisch. Es machte Spaß. Es gäbe sogar einen Kamin da, jedoch war weit und breit kein Holz zu bekommen. Mit Rachel als Gesellschaft, einer Flasche Rotwein und vollem Magen wäre dies sozusagen ein unvergeßlicher Abend gewesen. Statt dessen gingen wir brav ins Gasthaus e s sen. Es war ernüchternd. Sogar der Wein taugte nichts. Draußen regnete es in Strömen, so wie es nur in einem komplett aus Steinen bestehenden Bergdorf zu regen vermag. Die schwarzgrauen Steine glänzten kalt in dem rasch schwinde n den Abendlicht, als wir schon in unsere Schlafsäcke krochen. Es gab für uns hier nichts besseres zu tun. Um die Tristesse zu vertreiben, beschloß ich, ab sofort wieder gesund zu werden.
Finis Terre, km 3071
    Der Morgen begann, wie der Abend endete. Trübe, grau, windig, kalt. Der Weg führte in die Berge. Ein Fluß mußte auf großen Steinen durchquert werden, weil die Brücke vom Hochwasser eingerissen wurde. Über der Bergwand schnitten Windräder den Wind und Nebel in dicke Scheiben. Es ging auf und ab auf g e pflegten steinigen Pfaden. Ich kämpfte mich zähe voran. Die Krankheit war ta t sächlich fast schon überwunden, aber ich war auch so schon ziemlich am Ende meiner Kräfte. Man konnte ja nirgends ein paar Tage bleiben, um aufzutanken, Tag für Tag war man auf den Beinen, konnte am Ende nichts mehr wahrne h men, keinen vernünftigen Gedanken fassen. Ich wußte nicht mehr, wo ich das letzte Mal einen Tag Pause gemacht hätte. In Burgos, in León ? Die Krankheit wollte ich gar nicht mitzählen. Das Pilgern sollte doch Freude sein, rein, erh e bend, und nicht trübe, kalt und windig wie das Wetter hier. Hier ging ich nun durch eine wunderschöne Landschaft und hatte keine Freude dran, weil mir j e der Schritt Mühe bereitete, die Rucksackriemen wie Messer in die Schulter schnitten, die Füße taub wie Watte waren, und die Finger sich vor Krämpfen krümmten. Und dann erklomm ich einen Hügel, passierte ein Kreuz, und vor mir erstrahlte plötzlich das Meer, hellblau wie von einer kitschigen Postkarte, mit weißen Stränden und mediterraner Vegetation ringsum. Wo sind die grauen Wolken geblieben? Der schneidige kalte Wind? Alles wie weggeblasen, wie mit dem Zauberstab weggefegt. Wie konnte ein griesgrämiger mitteleuropäischer Herbst so schlagartig zu Côte Azur umschlagen? Egal. Ich bin am Atlantik ang e langt. Gerne hätte ich diesen Anblick mit jemandem geteilt, mit Rachel etwa. Doch

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