Bis du erwachst
nie kennengelernt, Kitty wäre nicht da, und all diese merkwürdigen Gefühle wären gar nicht erst entstanden. Ach, und schon wieder rede ich von mir, ich selbstsüchtige Kuh. Ade kann froh sein, wenn er mich los ist.»
Sie sah auf die Uhr. «Ich habe heute Abend in unserem Lieblingsrestaurant einen Tisch bestellt – ich habe dich zu deinem achtundzwanzigsten Geburtstag dorthin eingeladen, in Covent Garden, erinnerst du dich? Für mich das schönste Restaurant der Welt …» Cara schaute Lena an. Noch etwas kam ihr in den Sinn. «Obwohl du mir damals erzählt hattest, dass du kein Fleisch mehr essen wolltest, habe ich dich in
mein
Lieblingsrestaurant geführt, wo sie Steak und Hummer servieren.» Sie nahm die Hand ihrer Schwester. «Wie selbstsüchtig ich doch war. Nie genug Zeit, immer beschäftigt. Nie genug Zeit.»
Michael hatte recht: In ihrem Leben drehte sich alles um die Arbeit. Die Bar, die Rechnungen, die Hypothek. Für Adehatte sie gerade noch Zeit gefunden, für Lena schon nicht mehr. Sie hatte gewisse Aspekte ihres Lebens einfach beiseitegeschoben, sie hatte
Leute
beiseitegeschoben. Wie lange schon, und warum eigentlich?
Cara vergrub das Gesicht in Lenas Bettdecke.
«Es tut mir so leid, Lena. Wirklich, es tut mir leid.» Und dann ließ Cara ihren Tränen freien Lauf. Jede einzelne enthielt den Kummer, den Zorn und die Angst, die sie in den letzten Monaten empfunden hatte. Und vielleicht sogar ihr ganzes Leben über. Eines jedoch wusste sie: dass die Heulerei längst überfällig war. «Komm einfach zurück zu uns, es wird alles anders. Wirklich, das verspreche ich dir.» Sie trocknete sich die Augen. Gern hätte sie ihre Schwester um Verzeihung gebeten, aber sie wusste nicht, wo sie anfangen sollte. «Ich will dich einfach wiederhaben. Und ich kann dir beweisen, dass sich die Dinge ändern können. Versprochen.» Sie hörte hinter sich ein Geräusch. Rasch fasste sie sich, richtete sich auf und war überrascht: Auf der anderen Seite des Bettes saß Kitty.
«Kitty?» Sie war verlegen. Hatte ihre Mutter sie weinen sehen?
«Ich hab nicht zugehört. Ich bin nur reingeschlichen, weil ich dich nicht stören wollte.»
Cara nahm ihre Tasche. «Ist schon gut. Ich gehe jetzt. Ich muss Ade anrufen. Du weißt, dass die Besuchszeit vorbei ist und dass Schwester Gratten, wenn sie dich hier findet …»
«Mir geht es genauso, weißt du.»
«Was meinst du damit?»
«Dass ich dieses Kind auch immer für selbstverständlich gehalten habe.»
«Dann hast du ja doch gelauscht!»
«Nur ein kleines bisschen.»
«Na toll.»
«Du sollst wissen, dass es mir genauso geht. Mehr noch, schließlich seid ihr meine Kinder, und das bringt ein gewisses Maß an Verantwortung mit sich, nehme ich an.»
«Nimmst du an?» Damit war die größte Verantwortung der Welt verbunden! Man konnte nicht einfach Kinder bekommen und sie dann ignorieren, wenn es einem gerade in den Kram passte, oder wegwerfen wie ein Paar Schuhe, das man nicht mehr will. Man musste immer zu ihnen halten, mit ihnen durch dick und dünn gehen. Da sein, wenn sie einen brauchten – und auch, wenn sie einen nicht brauchten. Körperlich, seelisch und übers Telefon zur Verfügung stehen. Das war es, was gute Eltern ausmachte!
Kitty setzte sich auf einen Stuhl. «Ich weiß nicht, wann und wie ich es bei Lena wiedergutmachen kann, aber für meine anderen beiden Mädchen kann ich schon jetzt etwas tun.»
«Und was soll das sein?», fragte Cara herausfordernd, aber eigentlich wollte sie es gar nicht wissen.
«Millie hat mir beinahe verziehen. Wir kommen jetzt so viel besser miteinander aus. Und so habe ich … habe ich jetzt wenigstens eine Chance, mich mit meinem anderen Mädchen auszusöhnen. Jetzt in diesem Moment.»
Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Cara die Bedeutung ihrer Worte verstanden hatte.
«Du meinst doch nicht … du kannst doch nicht
mich
meinen?»
«Warum nicht?» Sie rückte näher. Cara wurde beinahe ebenso starr wie das Mädchen auf der Rolltreppe. «Können wir es nicht versuchen, Cara? Bitte? Bisher ist es mir nichtgelungen, lange genug mit dir im selben Raum zu sein, um dir zu sagen, was ich empfinde. Unser Mädchen liegt hier schon seit fast drei Monaten.»
«Ich weiß.»
«Und allmählich verliere ich die Hoffnung, dass wir je wieder mit Lena reden können. Ich kann dich nicht auch noch verlieren, Kindchen, ich kann einfach nicht Bitte. Ich tue alles, damit du mir eine Chance gibst.»
Verwirrt runzelte Cara die
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