Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
Jackentaschen von der Waterloo Bridge. Ein Sachbearbeiter aus der Buchhaltung korrigierte seine Zeugenaussage, verbrachte sechs Monate im Knast und kaufte sich gleichzeitig eine zwanzig Meter lange Yacht.
Währenddessen führte sich Garza in die Gesellschaft ein. Er verwandelte sich in einen Kunstmäzen, einen Medienliebling, den Organisator von tausenden PR -Veranstaltungen mit hübschen Mädchen in kurzen Röcken.
Garza hatte plötzlich überall seine Finger im Spiel. Im La Maison. Im River Café. Im Savoy Grill. Stets das beste Blatt und die höchsten Trümpfe auf der Hand. Er saß am Kopf des Tisches, dinierte mit den Großen und den Guten und den moralisch Bankrotten.
Seine bewegte Vergangenheit, die Fragezeichen hinter seinen Geschäftspraktiken, nichts schien mehr von Belang. Nicht einmal der weit zurückliegende Skandal einer Vergewaltigungsklage und einer verstörten Minderjährigen, die sich von einem Hochhaus in Hackney gestürzt hatte.
Ein Empfangsfräulein unterbricht ihn. Ruiz sieht von der Zeitschrift auf. Dr. Reines hat jetzt Zeit für ihn. Er wirft das Blättchen zur Seite und starrt auf die Druckerschwärze an seinen Fingern, will sie abwaschen.
Der Arzt bittet ihn, sich auf den Untersuchungstisch zu setzen. Macht die normalen Untersuchungen. Blutdruck, Blutabnahme, Finger in den Hintern …
Dr. Reines erzählt ihm Schauergeschichten von fettverstopften Arterien und Menschen seines Alters, die wie die Fliegen sterben. Dann kommt der Vortrag über mehr Sport: Laufen oder Schwimmen – sechs Bahnen im Schwimmbecken oder zwei Meilen zu Fuß.
Er horcht Ruiz’ Herz ab. Es ist kräftig. Das Herz eines Champions. Ein Vollblut. Alles andere in seinem Körper geht langsam vor die Hunde, aber sein Herz ist weiterhin kräftig.
Dr. Reines fragt nach Ruiz’ Mutter.
»Wie steht’s mit ihrem Alzheimer?«
»Sie hat gute und schlechte Tage.«
»Hält sie mich immer noch für Josef Mengele?«
»Sie hält alle Ärzte für Josef Mengele.«
Ruiz’ Mutter, Daj, lebt nicht mehr in der Gegenwart. Meistens lebt sie wieder im Krieg, flüchtet vor der Gestapo und der SS, überlebt die Konzentrationslager.
Daj hat Mengele persönlich getroffen. Er stand in Galauniform und polierten schwarzen Stiefeln auf einer Rampe. Er trug weiße Baumwollhandschuhe und hielt einen Stock in der Hand, mit dem er ein Meer aus entkräfteten und verhungerten Frauen und Kindern entweder nach links oder nach rechts teilte.
Ein schöner Mann, sagte Daj. Kalt. Er sah aus wie ein Zigeuner, mit dunklen Haaren, dunklen Augen und hellbrauner Haut. »Vielleicht hat er uns deshalb so sehr gehasst«, sagte sie. »Er hat der Welt die Dinge ausgetrieben, die er an sich selbst gehasst hat.«
Ruiz verlässt das Sprechzimmer des Arztes und nimmt einen Bus zur Victoria Station, von wo aus er die Vauxhall Bridge Road entlanggeht. Er hat noch einen Termin, noch einen jährlichen Check-up.
Jedes Jahr an seinem Geburtstag trinkt er ein Bier mit einem alten Kumpel von der Metropolitan Police, seinem früheren Stellvertreter in der Abteilung Schwerverbrechen und Organisierte Kriminalität, Colin »Bones« McGee.
McGee war ein aufgehender Stern, als Ruiz ihn kennenlernte – einer jener Universitätsabsolventen, die durch ein Blitztraining geschleust und dann die Leiter hochgeschubst worden waren. Er war der Beste seines Jahrgangs gewesen, mit dreißig war er bereits Detective Sergeant und mit fünfunddreißig Detective Inspector geworden. Dann kam der Absturz.
Eine verdeckte Ermittlung, bei der es um Kokain im Wert von zwölf Millionen ging, das in einem Container in Rotterdam gefunden worden war. McGee traf die Entscheidung, den Container an Bord und das Schiff nach Felixstowe auslaufen zu lassen. Er leitete die Überwachungsoperation.
Kann man schon erkennen, worauf es hinauslief? Die Drogen verschwanden. Spurlos. Vielleicht wurde der ganze Fang in die Nordsee gekippt. Vielleicht war er nie auf dem Schiff gewesen. Es waren alles nur Vermutungen gewesen, doch das zog bei McGees Bossen nicht. Damals bekam er seinen Spitznamen »Bones«, weil er nämlich bis auf die Knochen blamiert war und seine Karriere begraben konnte.
Seitdem hat Bones im Specialist Crime Directorate Geldanlagen und belastenden Unterlagen nachgespürt. Das ist ein Sackgassenjob, weil kein ernst zu nehmender Spieler in diesem Spiel jemals Geldanlagen auf seinen eigenen Namen laufen lässt. Sie verstecken sich hinter Briefkastenfirmen und zwielichtigen Unternehmen mit Sitz auf
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