Bis ich bei dir bin
gepackt.
»Alles ist total verkehrt«, sagt sie. »Überall.«
Es ist dämmerig im Flur und irgendwie ein seltsames Gefühl, dort zusammen vor meiner Tür zu stehen. Ich lockere meinen Griff um den Knauf.
»Wer zum Teufel bist du?«
Sie antwortet nicht. Sie muss mit Logan unter einer Decke stecken, es gibt keine andere Erklärung. Jedenfalls ist sie eindeutig kein Geist. Ich reibe mir erschöpft über die Stirn, während sie den Eindruck macht, als würde sie gleich umkippen.
»Könnte ich …« Ihre Stimme bebt. »Könnte ich ein Glas Wasser haben?«
Das einzige Eis im Gefrierfach ist der kristallisierte Überzug um einen alten Beutel Erbsen. Ich lasse an der Spüle kaltes Wasser in ein Glas laufen und stelle es vor sie hin.
»Danke.« Sie schiebt sich auf einen Hocker an der Frühstücksbar.
Ich frage mich, auf welche Schule sie wohl geht und woher er sie kennt. Aber ich warte, bis sie das Glas mit großen Schlucken geleert hat, ehe ich etwas sage. Sie stellt es auf dem Tresen ab. Ihr Blick ist jetzt ruhiger, die Pupillen sind nicht mehr ganz so geweitet. Vermutlich hat sie das geprobt.
»Fühlst du dich besser?«
Sie sagt nichts, blickt nur bedrückt drein. Echt talentiert. Ich lehne mich an die Wand, wo sonst das Telefon hing. Sie kann mir nicht in die Augen sehen – so gut ist sie dann doch nicht. Schließlich setzt sie zu einer Frage an, hält jedoch inne.
»Was?«, will ich wissen.
Sie schüttelt den Kopf.
»Was wolltest du gerade sagen?«
Sie beißt sich auf die Lippen, und ich betrachte sie eingehend, während sie eingehend den Fußboden betrachtet. Möchte wissen, wie Logan das getrickst hat, sie durchsichtig erscheinen zu lassen. Oder hat etwa mein Gehirn dieses übersinnliche Detail hinzugefügt? Ihre Hände sind jetzt absolut undurchsichtig. Sie gleiten nicht durch das Wasserglas, und doch erwarte ich, sie irgendwie leuchten zu sehen, sobald sie sich bewegt.
Ich schüttele den Gedanken ab.
»Und, bezahlt er dich wenigstens dafür?«
»Ich sage dir doch, das ist kein blöder Scherz.« Sie seufzt. »Ich wünschte, es wäre einer.«
Ich schnaube. »Ach, du bist also wirklich ein Geist?«
» Ich bin nicht der Geist hier«, stößt sie hervor.
»Was bist du dann?«
»Ich bin quicklebendig.« Sie kaut nachdenklich auf ihrer Unterlippe. »Aber ich glaube, ich bin am falschen Ort.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Und das ist aus irgendeinem Grund meine Schuld?«
»Ja.«
Sie verlagert steif ihr Gewicht, als täte ihr etwas weh, und ich denke daran, wie fest ich sie gestoßen habe. Wahrscheinlich hat sie eine ordentliche Prellung davongetragen, und daran bin ich nun wirklich schuld. Die Hitze steigt mir in den Nacken. Aber ich habe sie doch für einen Geist gehalten!
»Wie hast du das gemeint … am falschen Ort?«
Sie streicht sich mit zittriger Hand die Haare aus dem Gesicht. »Zuerst habe ich gar keinen Unterschied bemerkt. Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, um wieder zu Atem zu kommen und aus dem Gebüsch zu klettern, nachdem du mich dort reingestoßen hattest.« Sie sieht mich von der Seite an und schluckt. »Aber dann, als ich nach Hause wollte, hat da eine andere Familie in unserem Haus gewohnt … Und das ist noch nicht alles. Ich bin danach zu meiner besten Freundin gegangen, okay, es war zwei Uhr morgens, aber ihr Vater hat mich regelrecht davongejagt, dabei kenne ich Mr Caccione, seit ich zehn bin!« Ihre Stimme wird ein bisschen schrill. »Ich habe die Nacht bei McDonald’s verbracht, Unmengen von Kaffee getrunken und von dem Telefon dort aus alle angerufen, die mir einfielen, aber sie haben alle aufgelegt oder sind gar nicht erst rangegangen.« Sie nimmt das leere Glas und starrt hinein. »Als ich es heute Morgen in der Schule probiert habe, hatten sie im Schulbüro noch nie von mir gehört. Und als ich dich dann sah, bin ich dir bis nach Hause gefolgt. Aber hier stimmt auch nichts!«
Das Glas rutscht ihr aus der Hand und zerspringt dramatisch in tausend Scherben auf dem Fußboden.
»Oje! Das tut mir leid!«
Ich beobachte, wie ein Splitter über die Fliesen kreiselt und von der Wand gestoppt wird. Sie ist vom Hocker gerutscht und versucht, die Scherben aufzusammeln. Automatisch will ich sie zurückhalten, lasse es aber. Ich will ihr nicht in die Hände spielen.
»Ich räum das später weg.«
Sie sieht meine noch über ihr schwebende Hand und zuckt zurück. Dann setzt sie sich wieder auf den Hocker und schlingt die Arme um sich.
»Entweder haben sich alle
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