Bis ich bei dir bin
verschworen, um mir einen üblen Streich zu spielen, oder …«
»Um dir einen üblen Streich zu spielen?«, lache ich bitter.
Sie schüttelt den Kopf, und die Tränen laufen ihr über die Wangen. »Es ist, als würde ich nicht existieren.«
Dieses Mädchen könnte einen Oscar gewinnen.
»Tja, also, ich habe dich wirklich noch nie gesehen!«
Sie schlägt mit der flachen Hand auf den Tresen. »Ich heiße Nina Larson! Ich gehe auf die Fowler Highschool! Und ich wohne in der Genesee Street Nummer 26 zusammen mit meiner idiotischen Tante und meinem kleinen Bruder, der mich braucht !« Ihre Stimme versagt, und sie schlägt die Hände vors Gesicht. »Du musst mir helfen, Cam.«
Mich überläuft jedes Mal eine Gänsehaut, wenn sie meinen Namen sagt.
Ich stütze den Kopf in die Hand und ringe mit mir selbst. Gönn ihnen nicht den Spaß, darauf hereinzufallen, spiel das Spiel nicht mit. Ich hätte mich um sie gekümmert, wenn ich sie gestern Nacht verletzt im Gebüsch bemerkt hätte – falls ich gewusst hätte, dass sie real ist. Aber sie ist eine Schauspielerin und will mir nur ein schlechtes Gewissen machen. Ich lasse das Gesicht und die Tränen auf mich wirken. Er hat sie wahrscheinlich vor allem wegen ihres tragischen Aussehens engagiert. Oder vielleicht …
Vielleicht verarscht Logan sie genauso?
Nein, das wäre zu viel, selbst für ihn. Sie muss daran beteiligt sein. Ich sollte sie auf die Probe stellen, zusehen, ob ich ihre Geschichte auffliegen lassen kann. Ich krame in meinem Gedächtnis nach all den abgedrehten Science-Fiction-Büchern, -Geschichten, -Filmen oder -Fernsehserien, die ich je gelesen oder gesehen habe. Mir fällt eine Serie über seltsame Begegnungen ein, in der unter anderem ein Jäger erzählte, im Wald sei mal ein Mann wie aus dem Nichts vor ihm aufgetaucht, der zwischen den Bäumen herumgelaufen und dann wieder verschwunden sei. Er habe eine Uniform aus dem Unabhängigkeitskrieg getragen.
»Was für ein Datum ist dort, wo du herkommst?«, frage ich superschlau.
Sie zeigt auf die Zeitung von heute auf dem Tisch. »Dasselbe wie hier. Daran habe ich auch schon gedacht. Aber ich bin keine Zeitreisende.« Sie scheint sich ganz auf die Zeitung zu konzentrieren, doch dann wirft sie mir einen verstohlenen Blick zu. »Ich glaube allerdings, ich weiß … wie ich zurückkehren kann.«
»Warum tust du’s dann nicht?«
Sie reißt eine Ecke der Zeitung ein und macht lauter gleichmäßige Fransen aus dem Rand.
»Ich hab’s versucht. Irgendwann im Laufe des Tages bin ich zurück zu der Straßenecke gegangen, weil ich dachte, wenn es dort angefangen hat, gibt es womöglich auch einen Weg zurück. Aber ich habe nichts gefunden.«
Aha, so läuft der Hase. »Logan hat dich also geschickt, um mich wieder an diese Ecke zu locken. Was plant er? Hat er die ganze Schule dorthin eingeladen, damit alle mich auslachen und sehen können, was für ein Spinner ich bin? Um dafür zu sorgen, dass ich auch ja nicht wieder ins Footballteam aufgenommen werde?«
Sie sieht mir fest in die Augen. »Meine Haut hat gekribbelt, als wir uns gestern Nacht berührt haben.«
Was es auch war, was ich noch weiter sagen wollte, die Worte bleiben mir im Hals stecken. Ich balle die Hand zur Faust, dieselbe Hand, die sie gestern Abend so fest gepackt hatte. Beinahe spüre ich das elektrische Gefühl noch unter meiner Haut zucken. Wie kann Logan das nur inszeniert haben?
»Du hast es auch gespürt?«
Sie zieht eine Grimasse und nickt. »Das hat mich darauf gebracht … Vielleicht brauche ich dich , um zurückkehren zu können.«
»Nein.«
»Du hast mich geschubst.«
»Kommt nicht infrage.«
»Und ich bin hier gelandet.«
»Das geht nicht.«
Sie rutscht von ihrem Hocker und baut sich verzweifelt vor mir auf. »Wenn wir das Gleiche noch mal versuchen, schaffe ich es vielleicht zurück!«
Ich wehre sie ab. »Vergiss es, ich gehe nicht noch mal mit dir dorthin!«
Müde reibe ich mir die Augen und starre sie an, die wie ein verängstigtes Tier aussieht und doch in unserer Küche sitzt, als wäre es nichts Besonderes, dass sie hier ist. Logan kann mich nicht zum Narren halten, wenn ich weiß, was er vorhat …
Aber etwas nagt an mir tief drinnen.
Ein Kribbeln unter meiner Haut.
Als wir zur Fowler High kommen, müssen wir natürlich zuerst warten, bis es dunkel wird. Es ist kühl, aber sonnig, und auf dem Schulgelände herrscht reges Treiben. Das Leichtathletikteam läuft Runden um den Block und trabt immer wieder an Vivs
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