Bis zum bitteren Ende
Damit hatte Dunkelzahn das benötigte Artefakt, aber er brauchte eine Energiequelle. Ich glaube, er war die ganze Zeit fest entschlossen, sich zu opfern. Es war nur eine Frage des richtigen Zeitpunkts.«
»Also hat er sein Leben geopfert, um dem Herz die erforderliche Kraft zu verleihen?«
»Wie ich schon sagte, er war ein wahrer Held.« Harlekin trank einen Schluck Cognac, und als er weitersprach, war seine Stimme belegt vor Rührung. »Er hat sich völlig der Rettung der Welt verschrieben, und er hat nicht einmal dieses Verdienst für sich in Anspruch genommen. Er hat es nicht aus Gründen persönlicher Rache oder aus falschem Stolz getan.«
Harlekin neigte den Kopf, und seine Stimme wurde leiser. »Ryan, ich habe meinen Teil dazu beigetragen, Den Feind in Schach zu halten, aber ich könnte mir nie vorstellen, ein Opfer zu bringen, wie Dunkelzahn es gebracht hat. Selbst wenn ich die Gefahr richtig eingeschätzt hätte, was ich in meinem Stolz nicht konnte, würde ich Thayla noch immer für unverwundbar gehalten haben.«
Harlekin sah Ryan direkt in die Augen. »Ihnen ist natürlich klar, daß Dunkelzahn mächtig genug war, um Den Feind wahrscheinlich zu überleben, aber das hat ihm nicht gereicht, er wollte, daß alle überleben. Er sah Hoffnung in der Zukunft der Metamenschheit, und er wollte diese Zukunft sichern, auch wenn dies gleichbedeutend mit der Aufgabe seines Besitzes und seines Platzes in den Reihen der Unsterblichen war. Sogar mit der Aufgabe seines Lebens.«
Ryan saß da und sah mit an, wie Harlekin die Tränen über die Wangen liefen.
»Er ist der Held, und ich bin der Gedemütigte.«
Ryan trank einen Schluck aus seinem Glas. Das liebliche Brennen des Cognacs streichelte seine Kehle und brachte ihn dem Schlaf immer näher. Erschöpfung und Alkohol drohten ihn jeden Augenblick in die weichen Arme des Schlummers sinken zu lassen.
»Sie sind wie er, Ryan Mercury«, fuhr Harlekin fort. Die Tränen hatten seine Schminke verschmiert. »Sie teilen seine heroischen Qualitäten, das habe ich gesehen. Und Ihre Natur ist höchst ungewöhnlich.«
»Inwiefern?«
»Sie sind ein Drako, mein Freund. Ein Diener der Drachen.«
»Was wissen Sie über Drakos?« fragte Ryan.
Harlekin dachte eine Zeitlang nach. Dann sagte er: »Außer Ihnen gibt es keine bekannten Drakos in der Sechsten Welt. Vor langer Zeit, bevor die Magie versiegte, existierten viele Drakos. Vielleicht wurden sie von den Großdrachen erschaffen oder auch versklavt, damit sie ihnen dienten. In dieser Hinsicht sind wir uns nicht unähnlich.«
»Was meinen Sie damit?«
»Einige Elfen waren früher einmal dazu verpflichtet, den Großdrachen zu dienen.«
»Woher wissen Sie das...? Nichts für ungut.«
Harlekin lächelte. »Sie tun gut daran, manche Fragen nicht zu stellen«, sagte er. »Aber soviel kann ich Ihnen sagen: Es gibt einige, die versuchen werden, sie zu vernichten, weil Sie ein Drako sind.«
»Warum?«
»Wiederum Fragen.« Doch Harlekin lächelte noch immer. »Wegen Ihrer Langlebigkeit und Magie. Drakos sind magische Kreaturen, vielleicht noch magischer als Drachen. Eigentlich ist es noch zu früh in diesem Zyklus für Ihre Manifestation. Sie haben sich nur wegen der Manaflut, die Lethe durch Sie geleitet hat, so früh verwandelt.
Im Laufe Ihres Lebens, das leicht die ganze Sechste Welt umspannen könnte, werden Sie an Macht gewinnen. Man wird Sie vielleicht jetzt jagen, solange Ihre Macht noch bescheiden ist, und zwar wegen Ihres Potentials, ein uraltes Gleichgewicht der Macht zu erschüttern, wenn Sie älter und stärker sind. Ihnen könnte aber auch Gefahr seitens anderer Großdrachen drohen, deren Pläne im Widerspruch zu denjenigen Dunkelzahns stehen. Es ist am besten, wenn Sie Ihre Natur absolut geheimhalten.«
»Was ist mit denjenigen, die bereits davon wissen?«
»Vertrauen Sie ihren Runnern?«
Ryan dachte kurz nach. »Ja«, antwortete er.
Harlekin nickte. »Gut. Und Sie können sicher sein, daß ich es niemandem sagen werde und Foster auch nicht. Aina und ich liegen im Streit mit den anderen, die unsere... Talente teilen. Wir stimmen nicht mit jenen überein, die um der Macht willen manipulieren, Ränke schmieden und zu wissen vorgeben, was das Beste für die ganze Welt ist. Jedenfalls glaube ich, daß Aina eine Zeitlang auf Ihrer Seite sein wird. Ihre Vorstellung an der Brücke hat sie mächtig beeindruckt.«
Harlekin hielt inne, um seinen Cognac auszutrinken. »Ihr Verhalten war wirklich heldenhaft, mein Freund.
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