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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Entleihung, um Akquisition eines Tauschobjekts also. Falls der gute Ritter sich entschieden haben sollte, lieber neue Schlüssel anfertigen zu lassen als den Detektiv zu bezahlen, brauchte ich etwas zum Nachlegen, etwas, das meine Forderung noch mal untermauerte.
    Und was zu fahren brauchte ich sowieso. Und dann war das erste Auto, das ich aus dem Schatten eines dichten Busches heraus zu Gesicht bekam, ein Hummer, ein ursprünglich für die US-Armee entwickeltes Monster von einem Geländewagen, ein solcher Brecher, dass er ein vorheriges Knacken des Schlagbaums eigentlich überflüssig machte. Nur das Pappschild »VERKAUFT« von der Windschutzscheibe rupfen, reinspringen, starten, Vollgas. Und dann versuchen, sich, turmhoch den übrigen Verkehr überragend, möglichst unauffällig zu verhalten.
    Ich seufzte, machte kehrt und lenkte meine Schritte auf der Landstraße nach links.
    Wolfgang Vonscheidt selbst hatte mir diesen Fingerzeig gegeben. »Sie braucht noch nicht mal zu kochen«, hatte er die Undankbarkeit seiner entschwundenen Gattin beklagt. »Wir essen so gut wie jeden Abend in der Alten Mühle.«
    Die Alte Mühle, ein fundamental-bürgerlicher Landgasthof, lag keine zwei Kilometer vom Rittergut entfernt, also in durchaus fußläufiger Distanz. Doch Autohändler fahren, Punkt. Und Vonscheidt fuhr einen schwarzen CSL, ein geducktes Ding mit dunkel getönten Scheiben, das auch ganz gut zu einem Privatdetektiv passen könnte. Und sei es nur für ein paar Tage.
    Kurz vor dem Gasthof blieb ich noch mal stehen und sortierte im Licht einer Straßenlaterne die Schlüssel durch, fand und packte den mit dem Stern. Dann atmete ich tief durch und verlängerte meinen Schritt in ein flottes Tempo.
    Schreitend fragte ich mich, was tun, sollte Vonscheidt einen Grobian als Wache im Wagen postiert haben.
    Ich reiße die hintere Tür zuerst auf, entschied ich. Falls wirklich jemand im Wagen hockt, dann sitzt er hinten, und falls er vorhat, auf mich loszugehen, kann ich ihm die Tür vor den Schädel knallen. Und dann eins werden mit der finstren, ländlichen Nacht.
    Mein Schritt verlangsamte sich, als ich den Parkplatz vor der Alten Mühle in Augenschein nahm. Schließlich verhielt ich ihn ganz, den Schritt. Da stand kein CSL. Weder in Schwarz noch in sonst einer Farbe.
    Ich sah mich schon wieder in den verfluchten Bus kraxeln, als mir mein Irrtum aufging: Vonscheidt war sehr wohl vorgefahren, bloß nicht im CSL. Sondern in einem anderen Modell seines Fuhrparks, unverkennbar seins gemacht durch Firmenaufkleber ringsrum. Hastig zerrte ich die Schlüsselsammlung wieder ans Licht, suchte und fand den Passenden, presste den Knopf und entriegelte die beiden Türen. Keine Rückbank bei diesem Fahrzeug, oh nein. Und auch kein lauernder Grobian darin.
    Also schwang ich mich rein, fand das Zündschloss auf der Mittelkonsole, führte den Schlüssel ein, drehte ihn, und der Motor hinter den Sitzen … brüllte auf? Bellte, röhrte, erwachte zu volltönendem Leben?
    Na ja. Eher nicht. Ich drehte den Schlüssel, und der Motor, tja, er potterte los.
    Ich wählte die Fahrstufe »Vorwärts«, und wir entfernten uns langsam und unauffällig. Wenn auch eher zwangsweise.
    Auf halbem Weg zurück nach Mülheim stoppte ich, stieg aus und riss die Firmenaufkleber ab. Dann betrachtete ich einen Moment lang meinen Fang mit der ganzen Ernüchterung einer gründlich untertroffenen Erwartung. CSL am Arsch, von Lamborghini ganz zu schweigen.
    Ich fahr nur nachts damit, beschloss ich. Solange mich keiner damit sieht, geht’s vielleicht.
     
    Der Tank war noch einigermaßen voll, die nächtlichen Straßen einigermaßen leer. Ich fuhr, rauchte, grübelte.
    Schmale Gestalt, bestenfalls mittelgroß, mit den harten Zügen einer verkorksten, abgewürgten Jugend.
    Stricher, dachte ich fast automatisch. Ich hab wohl im Laufe meiner Berufsjahre zu viele davon gesehen, vor allem während meiner Anfangszeit, als ich noch hauptsächlich nach von zu Hause abgehauenen Minderjährigen fahndete.
    Mit einem hab ich sogar mal eine Zelle geteilt, in Wuppertal. Auch so ein schmales Hemd. Babyface, doch ständig halb verhangene Augen, ausdruckslos wie Glasmurmeln. Schon als Kind vom Stief gefickt worden, später vom Pastor, dann – wenn schon, kann man sich ja auch dafür bezahlen lassen – in den Saunaclubsumpf abgerutscht, bis er eines Tages, ohne große Vorwarnung, einen besonders ruppigen Freier mit 37 Messerstichen umgebracht hat. Und keinen Monat später, noch in U-Haft,

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