Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
beiseite. Auch er rang sichtlich um Fassung. Selten bei ihm.
    »Was haben Sie sich dabei gedacht, Kryszinski?«, herrschte er mich an, die Stimme mühsam gedämpft.
    Gedacht, gedacht … ich wusste es nicht zu sagen.
    »Was wollten Sie? Mit einer Terroristin durchbrennen? Wohin?«
    Irgendwohin. Ganz egal. Süden, vielleicht.
    »Sagen Sie mir: Wo sollte das hinführen?«
    Weg, nur weg … Neues Land, neuer Job, neue Papiere … Noch mal ganz von vorn anfangen …
    »Sie mussten doch wissen, das das Ganze keine Zukunft haben konnte!«
    »Ja«, sagte ich, »Ja. Ja, ja, ja …«
    Ich ließ ihn stehen und ging einfach los. Weiter und weiter. Böen peitschten, und Regen setzte ein, ganz ohne Blitz, ganz ohne Donner, einfach so. Ich ging weiter und weiter durch das immer stärker werdende Prasseln, und die Tropfen liefen mir nur so das Gesicht hinunter.

Epilog
    »Ich komme wegen eines Hundes, den man kürzlich hier abgegeben hat.«
    Oh, musste ich mich belehren lassen, da würde ich schon präzisieren müssen. Es wurden hier beinahe täglich Hunde abgegeben – neben anderen Tieren, versteht sich –, oftmals mit fadenscheinigen Begründungen, oder weil man sie ihren Haltern wegnehmen musste, wegen schlechter Haltung etwa.
    Sie war ein bisschen sehr gesprächig für die frühe Stunde und meinen Geschmack, doch ich ließ sie ausreden. Ich hatte alle Zeit der Welt.
    Ob ich den Namen des Tieres wüsste?
    Wusste ich nicht.
    Rasse, Größe, Farbe, Alter?
    Auch nicht.
    Dann wenigstens den Namen des letzten Halters?
    Wieder nichts. »Alles, was ich weiß, ist, dass er Änderungsschneider war.«
    Oh. O ja. Furchtbare Tragödie, das. Der arme Hund.
     
    Er war klein, grau, und anders als die anderen Hunde, die ringsum in ihren Zwingern tobten, saß er einfach nur da und blickte skeptisch drein. Fatalist, wie die Besten von uns. Müsste ich den äußeren Gesamteindruck in ein Wort fassen, ich würde sagen: struppig.
    »Hat er einen Namen?«
    Er hieß Struppi.
    »Wie passend«, fand ich, und die Dame vom Tierheim lachte. Sie war eine von denen, die vermutlich über alles lachen können, eine Eigenschaft, die mich immer schon mit Neid erfüllt hat.
    »Ich kann nur hoffen, du gehst gern zu Fuß«, sagte ich zu ihm, und er sah mich an, als könne er sich mit dem Gedanken anfreunden. »Zumindest die nächsten paar Monate.«
    Ich hatte bei allen Vernehmungen behauptet, in »halbstaatlichem Auftrag« gehandelt zu haben, und Menden und Hufschmidt waren so reizend gewesen, jegliche Aussage dazu geradezu brüsk zu verweigern. Der »andere Dienst« schwieg sowieso, ließ aber immerhin durchblicken, dass es meinen Hinweisen zu verdanken war, dass der restliche Sprengstoff auf dem Rittergut von Deckarts stillem Teilhaber Vonscheidt sichergestellt werden konnte. Was, alles zusammen, den Ermittlungen gegen mich ein wenig den Schwung raubte. Im Endeffekt würde es mangels Anklagepunkten wohl noch nicht mal zu einer Verhandlung kommen. Nur meinen Führerschein musste ich bizarrerweise abgeben, wegen einiger aufgelaufener Anzeigen. Rücksichtsloses Fahren und so.
    »Gefällt er Ihnen?«
    »Na ja. Die Frage ist: Wie steht’s denn andersrum?«
    Wir holten ihn aus seinem Verschlag, und er sah kurz zu mir hoch, schnupperte eine Weile an meinem Hosenbein, sah noch mal hoch, wedelte seinen Stummelschwanz und setzte sich dann auf meinen Fuß und knurrte eine Katze an, die gerade vorbeigetragen wurde.
    »Ich hab das Gefühl«, sagte ich, »wir werden prima miteinander auskommen.«
     
    ENDE

Weitere Kostenlose Bücher