Bis zum Hals
Prolog
So: Sixpack Bier, Schachtel Kippen. Dazu ein Red Bull und für zwanzig Öcken Sprit, damit Fahrer und Wagen es ohne abzukacken bis nach Hause schaffen. Ah, und damit der Fahrer sich zu Hause überhaupt zur Tür reintrauen kann, noch ’ne Dose Katzenfutter. Mit Fisch. Solange Fisch drin ist, frisst sie alles.
Drei Uhr morgens an der Nachttanke, seit zwei oppressiv schwülen Tagen und Nächten auf den Beinen und noch rund dreißig Minuten zu fahren, vorausgesetzt, man hielt sich einigermaßen an die Regeln. Also höchstens zwanzig in der Stimmung, in der ich mich befand.
Er schlägt sie. Sie rennt weg. Ihn packt Reue und die Angst, sie könne in ihr altes Gewerbe zurück und damit den Leuten wieder in die Fänge geraten, aus denen er sie einstmals gerettet – sprich: freigekauft – hat. Also heuert, ja fleht er Detektiv an, sie zu suchen. Detektiv braucht das Geld, handelt Prämie aus und kniet sich rein in achtundvierzig Stunden voll vager Andeutungen, dreister Lügen, kalten Misstrauens, unverhohlener Drohungen und klumpfüßiger Versuche, ihn zu bescheißen, zu beklauen oder sonstwie abzuzocken. Achtundvierzig Stunden umwabert von Schweiß und Qualm und synthetischen Duftstoffen mit einem geringeren Literpreis als dem der ausgeschenkten Getränke, achtundvierzig Stunden, die den gleichen Zeitraum mit Brechdurchfall zu verbringen vergleichsweise heiter erscheinen lassen.
Nur um im Endeffekt herauszufinden, dass die Grundgute in der Zwischenzeit zu ihrem Kerl zurück ist. Und was machen beide, kaum wieder versöhnt? Prellen erst mal den Detektiv um sein Geld.
Ich hoffe, nächstes Mal schlägt er sie tot, dachte ich, warf die Einkäufe auf den Beifahrersitz, schwang mich hinters Lenkrad, startete den Motor, riss das Fernlicht an und trat das Gas mit mehr als nur dem üblichen Hauch von Ingrimm.
Keine fünfzehn Minuten später, lila Brause gerade spürbar, Kippe in voller Glut, Bierdose am Hals, Tachonadel im unteren dreistelligen, die vom Drehzahlmesser im oberen vierstelligen Bereich, praktisch im Sinkflug auf zu Hause, stieß man mir diesen schmächtigen blonden Typen direkt vor den Kühler.
Teil 1
»Na, das hast du ja sauber hingekriegt, Kryszinski.«
Wenn es etwas gibt, das ich an Kommissar Hufschmidt hasse – besonders hasse, heißt das, also mehr noch als alles andere, das ich eh schon hasse an ihm –, dann ist das seine gespielte Coolness im Angesicht des Entsetzlichen.
Er war aschfahl und brauchte die offene Türe seines Opels als Stütze, doch anstatt sich zu erbrechen und dann langsam wieder beizukommen wie ein normaler Mensch, meinte er, hier Eindruck schinden zu müssen.
Der Typ am Boden war furchtbar zugerichtet, auf eine Art und Weise tot, die keinen Raum für Hoffnung oder Zweifel ließ. Mit abgerissenen Gliedmaßen und aufgeplatztem Schädel lag er inmitten einer unfassbaren Lache von … nennen wir es der Einfachheit halber Blut. Der Rumpf und die verbliebenen Extremitäten waren verdreht, wie es sonst nur bei einer ausgesprochen schlaffen Stoffpuppe möglich wäre. Selbst Unfallarzt und Rettungssanitäter sahen drein, als wüssten sie nicht recht, wo anfangen mit aufklauben.
Als Menden endlich eintraf, befand ich mich irgendwo am Rand des Geschehens und machte zögernde Fortschritte, meinen Magen wieder an seinen angestammten Platz hinunterzuwürgen.
»Vermutlich Arsch voll, viel zu schnell und … Peng « , meinte ein Uniformierter, der das Sich-Erbrechen-und-wieder-Beikommen schon hinter sich hatte, lapidar und deutete vom Toten zu meinem am Ende zweier endlos langer Bremsspuren in der Flanke eines geparkten Benz zum Stehen gekommenen Toyota und dann auf mich.
Hauptkommissar Menden sah mich an. Ich fügte mich ins Unvermeidbare und sah zurück. In ein Gesicht, so lang wie ein Sonntag im November, und zwei Augen, so grau wie der Produktausstoß eines Krematoriums. Sie musterten mich mit von Herzen kommender Kühle.
Blaulicht und Blitzlicht umflackerte uns, Scheinwerfer beschienen den Toten. Streifenbeamte, Feuerwehrleute, Zivile und Weißbekittelte taten, was zu tun war, wortkarg und schwitzend in der dampfenden Nacht.
»Also, Kryszinski. Äußern Sie sich«, forderte Menden.
»Ich bin unschuldig«, war alles, was mir einfallen wollte. Menden sehen und diesen Satz äußern ist manchmal wie zwei Sektenwerbern die Tür öffnen und sie gleich wieder schließen. Es hat etwas Automatisches, Zwangsläufiges. Beide Seiten wären irgendwie baff, würde es anders
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