Bis zur letzten Luge
etwas besser ergangen. Die Böden aus Zypressenholz und der größte Teil der Holzarbeiten waren noch intakt. Nachdem sie gründlich gesäubert und gewachst worden waren, erstrahlten sie im alten Glanz. Stuckateure besserten die Wände und die Decken aus, und die Elektriker, die nach ihnen an die Arbeit gingen, verwüsteten den neuen Putz wieder. Die Küche war hoffnungslos heruntergekommen. Phillip ließ sie komplett ausbauen, und sämtliche Leitungen und Kabel wurden erneuert. Zunächst besorgte er noch keine neuen Geräte. Das konnte warten. Der Garten war ein einziger Schandfleck, selbst nachdem er vom Müll befreit worden war, der sich im Laufe der Jahre dort angesammelt hatte. In schwachen Momenten war Phillip versucht, den wirren Wildwuchs einfach mit einer Macheteklein zu hacken und alles vollkommen neu anzulegen. Doch vor dem Haus stand eine Magnolie, die fast so groß war wie das Gebäude selbst, und dahinter wuchs eine jahrhundertealte VirginiaEiche, von deren Ästen Spanisches Moos herabhing. Jasmin überwucherte den Zaun, und eine Reihe von Gardenien trug auch nach Jahren der Vernachlässigung unzählige Knospen. Deshalb holte er Jake – der seine Begeisterung darüber kaum verbergen konnte – und ließ sich von ihm in die Gartenarbeit einführen. Gemeinsam bezähmten sie den größten Teil der Wildnis. Selbst Nicky, die sich im Fensterputzen als besonders begabt herausgestellt hatte, stimmte zu, dass die beiden Männer einen guten Anfang gemacht hatten.
Nachdem die meisten Arbeiten erledigt waren, fuhr Phillip an einem warmen Frühlingsabend in die Claiborne Avenue und parkte vor dem weißen Haus. Er hatte seinen Besuch sorgfältig geplant. Es war bereits zu spät fürs Abendessen, aber früh genug, sodass Belinda bestimmt noch nicht über ihren Unterrichtsplänen brütete. Er hatte kurz mit Debby telefoniert und sich versichern lassen, dass Belinda zu Hause war.
Sie saß allein auf der vorderen Veranda, als er die Stufen hinaufstieg. Es schien beinahe so, als hätte sie auf ihn gewartet. Doch das hatte sie nicht. Denn in dem Moment, als sie erkannte, wer auf sie zukam, wurde ihr Blick misstrauisch, und sie spannte unwillkürlich die Schultern an.
„Hi.“ Langsam trat er näher, wobei er einen angemessenen Abstand zu ihr einhielt. Er lehnte sich an das Geländer und stützte sich locker mit der Hand ab. „Wie geht es dir?“
„Ich kann mich nicht beklagen.“
„Natürlich nicht. Das würde dir auch nicht ähnlich sehen.“
Sie erhob sich und schien hineingehen zu wollen. Er hielt die Brüstung fest umklammert, um nicht in Versuchung zu geraten, Belinda zurückzuhalten. „Geh nicht.“
„Ich wüsste nicht, weshalb ich bleiben sollte.“
„Ich fände es toll, wenn du bleiben würdest.“
Zögerlich sank sie in ihren Sessel zurück. Unauffällig ließ er seinen Blick an ihr hinabwandern. Nur ein bisschen tiefer, um erkennen zu können, ob sein Sohn oder seine Tochter sich bereits bemerkbar machte. Belinda war noch immer schlank. Doch sein geübtes Auge verriet ihm, dass ihre Figur etwas üppiger und fraulicher geworden war. Für einen Moment stellte er sich vor, sie noch eingehender betrachten zu können. Er hatte Belinda vermisst, er hatte alles an ihr vermisst. Wie gern wollte er noch einmal seine Finger über ihre warme Haut gleiten lassen.
„Ich habe gehört, dass du wieder in der Stadt bist“, stellte sie fest.
Er sah ihr ins Gesicht. „Ach ja?“
„Ich habe gehört, dass du in Selma ziemlich schlimm verletzt worden bist.“
Er hatte Tränengas abbekommen und sich einen Schädelbruch zugezogen. Die Verletzung wäre tödlich gewesen, wenn sich nicht einer der weißen Demonstranten zwischen ihn und den Polizisten geworfen hätte, bevor dieser mit seinem Knüppel ein weiteres Mal zuschlagen konnte. „Nicht so übel wie einige andere.“
„Hast du es bis Montgomery geschafft?“
Es war der längste Marsch in Phillips Leben gewesen.
„Ja, ich habe es geschafft. Aber ich bin nicht gekommen, um mit dir darüber zu reden. Es gibt da etwas, das ich dir zeigen möchte.“
„Ich muss meinen Unterricht für morgen vorbereiten. Du weißt, dass ich abends immer beschäftigt bin.“
„Ich weiß vieles über dich, Belinda. Mehr als die meisten anderen – oder was würdest du sagen?“
Sie hatte sich noch nie auf lange Wortspielereien eingelassen. „Debby hat mir erzählt, dass du von dem Baby weißt.“
Langsam nickte er. „Ja.“
„Ich verlange nichts von dir. Du wolltest
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