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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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Und sie wusste, dass sie ihn am Haken hatte. Zum ersten Mal, seit er angekommen war, spürte sie Hoffnungin sich aufkeimen.
    Die Couch war unbequem, und Aurore lehnte sich an einige Kissen, um es sich etwas angenehmer zu machen. Phillip ließ sich am anderen Ende des Sofas nieder und setzte sich ganz vorn an die Kante, als wollte er jeden Moment aufspringen.
    „Sind Sie schon länger in New Orleans?“, fragte sie.
    „Ich bin seit ein paar Wochen hier.“ Er sah sie an. „Ich würde Sie an dieser Stelle gern etwas fragen, wenn Sie nichts dagegen haben. Woher wussten Sie überhaupt, dass ich in der Stadt bin?“
    „Ich habe Ihre Artikel im Atlantic Monthly gelesen und Ihre Serie über Integration in der New York Times . Wie ich schon sagte, ich verfolge Ihre Arbeit. Daher weiß ich, dass Nicky Valentine Ihre Mutter ist und dass Sie sie von Zeit zu Zeit besuchen. Als ich angefangen habe, über dieses Projekt nachzudenken, habe ich mir gewünscht, dass jemand Ihres Formats für mich schreiben würde. Und dann ist mir klar geworden, dass Sie es vielleicht tatsächlich tun könnten. Also habe ich mich ein bisschen umgehört …“
    „Und haben mich gefunden?“
    „Es ist wirklich eine sehr kleine Stadt.“
    „Das ist mir auch schon aufgefallen.“
    Sie lächelte. „Spätestens jetzt wäre es Ihnen endgültig klar gewesen. Es war nicht besonders schwierig, Sie zu finden. Sie haben sich mit einigen Bürgerrechtlern zusammengetan, die Ihre Gegenwart gern lautstark kundtun. Und auch wenn Sie nicht offen an Demonstrationen teilgenommen haben, waren Sie so zu finden.“
    „Ich bin Journalist. Ich strebe nach Objektivität.“
    „Das verstehe ich.“
    „Und nichts, was Sie bisher über mich erfahren haben, stört Sie?“
    „Nein. Es fasziniert mich vielmehr.“
    „Was wüssten Sie denn gern über mich?“
    „Erzählen Sie mir, wie Sie Ihren Aufenthalt hier genießen.“ Er schien über verschiedene Antwortmöglichkeiten nachzudenken. Sie wusste bereits, dass er kein Mann war, der log. Er achtete darauf, dass das, was er sagte, die Wahrheit war. Und manchmal brauchte die Wahrheit ihre Zeit.
    „Ich erzähle Ihnen eine Geschichte“, begann er schließlich. „Gestern fuhr ich mit der Straßenbahn. Und obwohl ich nicht in den hinteren Teil gehen musste, stand eine Frau auf und suchte sich einen anderen Platz, nachdem ich mich schräg gegenüber von ihr auf die andere Seite des Ganges gesetzt hatte. Ich vermute, es wird Sie nicht überraschen, dass sie weiß war.“
    „Nein, das tut es nicht.“
    „In den wenigen Minuten, die ich im Garden District unterwegs war, hatte ich bereits eine interessante Begegnung mit einem Ihrer Nachbarn.“
    Aurore nickte. „Ich nehme an, Mr Aucoine hat nicht erwähnt, dass er und ich seit Jahren nicht miteinander gesprochen haben. Wir haben uns absolut nichts zu sagen.“
    „Die Stadt hat noch eine andere Seite.“ Phillip bemühte sich offensichtlich, gerecht zu sein. „Veränderung liegt in der Luft. Man kann die gespannte, erwartungsvolle Atmosphäre überall spüren.“
    „Ich bin froh, dass Sie das gesagt haben.“
    „Warum?“
    Es hätte sie nicht erstaunen müssen, und trotzdem war sie verblüfft. Das Gespräch mit Phillip Benedict würde alles andere als einfach werden. Für diesen Mann gab es kein einfach . „Weil ich mir wünsche, dass die Dinge sich verändern.“
    „Sie würden nicht davon profitieren“, erwiderte er unverblümt.
    „Sie wären überrascht, wovon ich profitieren würde.“
    Ungeduldig wippte er mit dem Fuß, und sie wusste, dasser weitermachen wollte. Mit Absicht ließ sie ihn weiter ungeduldig wippen und nahm sich einen Moment, um ihn genauer zu betrachten. Er war ein gut aussehender Mann, doch das war nichts Neues für sie. Sie hatte ihn des Öfteren auf Fotos gesehen. Phillip Benedict war in der Bürgerrechtsbewegung schon so lange an vorderster Front unterwegs, dass er beinahe genauso oft abgelichtet worden war wie die Menschen, über die er dort schreiben wollte.
    Auf Fotos konnten die elegante Haltung seines Kopfes oder seine starken, erstaunlichen Züge eingefangen werden. Aber Bilder konnten nicht die Kraft, das Wesen dieses Mannes wiedergeben, der die Menge überragte. Sie hatte gehofft, dass er der Mann sein würde, für den sie ihn gehalten hatte. Nachdem sie ihn nun vor sich sah, war sie sich sicher.
    Sie hätte ihn gern noch länger angeschaut, doch sie hatte Erbarmen mit ihm. „Ich werde Sie nicht aufhalten. Lassen Sie mich nur

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