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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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mehr graue Haare bekomme.“
    „In diesem Telefonat ging es nicht um eine Drohung oder um einen Bestechungsversuch. Es war ein Angebot. Ein Jobangebot.“
    „Also wirst du wieder verschwinden. Sag mir nur, dass du nicht nach Vietnam gehst!“ Sie sah nicht auf, während sie mit ihrem Brot die würzigen Reste des Eintopfs auftunkte.
    „Es ist ein Job hier in der Stadt“, erwiderte er, nun wieder auf Englisch. Phillip beugte sich vor und berührte die Hand seiner Mutter. Seine Haut war dunkler als ihre, aber immer noch heller als die seines Vaters, den er nie kennengelernt hatte. In einem Zeitungsartikel über die Karriere seiner Mutter war seine Haut einmal mit „Toffee“ und die Hautfarbe seiner Mutter mit „Café au lait“ verglichen worden. Er hatte sich gefragt, warum die Farbe von Menschen mit afrikanischen Wurzeln immer mit etwas zu essen oder zu trinken beschrieben wurde. Seitdem hatte er mit dem Gedanken gespielt, Weiße als „milchpulverfarben“ oder „wie Apfelmus“ zu bezeichnen. Die Idee hatte er jedoch schnell als zu gefährlich verworfen.
    „Ich bin gebeten worden, eine Biografie zu schreiben“, sagte er.
    „Wessen Biografie?“
    „Von einer alten Dame namens Aurore Gerritsen. Hast du ihren Namen schon einmal gehört?“
    Endlich sah Nicky ihn an. Sie kniff ganz leicht die Augen zusammen und dachte über den siebenunddreißigjährigen Mann nach, der einmal ein Baby gewesen war, das sie gestillt hatte. „Du hast vor, in das Hoheitsgebiet der Weißen zu marschieren und dort die reichste Frau der Stadt mit Fragen über ihr Leben zu löchern? Wer hat dich gebeten, den Job zu übernehmen?“
    „Sie selbst.“
    Nicky war zu gut darin, ihre eigenen Geheimnisse zu bewahren, als dass sie sich ihre Überraschung jetzt hätte anmerkenlassen. Für eine Frau ihres Alters hatte sie ein erstaunlich glattes, faltenfreies Gesicht. Ihre Miene blieb ungerührt. „Das kann ich nicht glauben.“
    „Sie hat mich selbst angerufen, und ich habe mich mit ihr getroffen, bevor ich hierhergekommen bin.“
    „Warum wollte sie dich treffen?“
    „Ich dachte, du könntest mir vielleicht Einblick geben.“ Nicky lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und zog ihre Hand zurück. „Ich kenne die Frau nicht. Und ich habe ihren Namen nie im Zusammenhang mit der Bürgerrechtsbewegung gehört.“
    „Ich wette, dass du weißt, wer ihre Söhne sind“, erwiderte Phillip. „Beziehungsweise waren.“
    „Es gibt keinen Schwarzen in dieser Stadt, der das nicht wüsste.“
    Auf dem Weg zum Club Valentine hatte Phillip über ein halbes Dutzend Theorien nachgedacht, warum Aurore Gerritsen ihm das seltsame Angebot gemacht hatte. Und er hatte ein halbes Dutzend Theorien auch wieder verworfen. Sie war eine elegante alte Dame mit weißem Haar und ebenmäßigen Zügen und einem warmherzigen, arglosen Ausdruck in ihren lavendelblauen Augen. Doch er glaubte nichts von dem, was sie ihm gesagt hatte. Nicht ein Wort.
    Er hatte über mögliche Verbindungen zur Familie Gerritsen nachgegrübelt, aber er wusste nichts über sie, was jeder andere Einwohner der Stadt nicht auch gewusst hätte. Aurore hatte zwei Söhne. Ihr jüngerer Sohn Ferris war Senator und bekannt für seine starren, konservativen Ansichten, was die Rassentrennung betraf. Ihr älterer Sohn Hugh, ein politisch engagierter katholischer Priester, war vor einem Jahr bei einer Kundgebung der Bürgerrechtsbewegung in einer Gemeinde südlich von New Orleans ermordet worden. Die auffälligen ideologischen Unterschiede zwischen den beiden Brüdern hatten den Zeitungen nach der Ermordung von Pater Gerritseneine sensationelle Auflage beschert.
    „Ich habe mich nur gefragt, ob du vielleicht mehr weißt als ich“, hakte er nach. „Meinst du, dass es ihre Art ist, sich gegen ihren lebenden Sohn zu stellen und sich auf die Seite ihres verstorbenen Sohnes zu schlagen? Eine Rebellion? Ich schreibe die Geschichte ihres Lebens auf, und sie reicht dem Senator das Manuskript mit meinem Namen drauf – als eine Art Statement?“
    Ihr Blick war unergründlich. „Was glaubst du?“
    „Ich glaube, es ist seltsam. Seltsam genug, dass ich die Wahrheit herausfinden möchte.“
    „Suchst du nach einem Grund, um in der Stadt bleiben zu können, Phillip Gerard? Geht es darum?“
    Phillip rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. „Sprich weiter. Sprich es ruhig aus.“
    Sie verzog übertrieben das Gesicht. „Ich denke, dass es dir schwerer und schwerer fällt, deine Taschen zu packen und zu

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