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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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im verfehlten Kulturkampf, in der Sozialreform. Doch die Reibung mit dem Ewiggemeinen, mit der partikularistischen Gehässigkeit und dem hämischen Neid der Vielzuvielen gegen alles Geniale, die sich hinter allerlei Schlagworten versteckten, zog den Vertreter Deutschlands, den Nationaltyp, selber mit sich herab. Wenn Goethe vom Nibelungenlied sagt, jeder Deutsche müsse je nach seinem Geistesgrad daraus Erbauung schöpfen, so hat der kleinste Deutsche irgendeinen dem Großen ähnlichen Zug. Ihm lauter Schönpflästerchen aufkleben heißt die Vollmenschlichkeit entstellen. Die Deutschen aber sollen sich wie den jüngeren Goethe den jüngeren Bismarck vor Augen halten, dies untadelige Vorbild edelster Männlichkeit ...
    Otto, das alte Kneipgenie, das wahrlich Tors unerschöpfliches Methorn auf einen Zug geleert hätte, mied in Frankfurt Geselligkeit und ritt einsam ins Freie hinaus, dem Angaffen zu entrinnen. Die Vergangenheit zog düster an ihm vorüber. Verirrte er sich nicht zu weit in junkerliches Milieu? Nun, der alte Demokratenfresser galt ja längst in seinen Kreisen als abtrünniger Revolutionär. Das Genie ist der Umsturz. Hänschen Kleist-Retzow und Konsorten würden ihm noch ab- und Fehde ansagen, selbst der brave Roon sich seelisch von ihm abwenden, das sah er voraus. Denn daß sich Deutschland fortan nur »nationalliberal« regieren lasse, ging ihm lange auf. O die verfluchten Ideologen, seien sie konservativ oder liberal! Goethes Einsicht, Napoleon, der ganz in der Idee lebte, habe sie in der Wirklichkeit verpönt, gräbt eben nicht tief genug. Der Indische Mahatma ignoriert nicht die Materie, sondern überwältigt sie, damit die Bahn frei werde für die Herrschaft des Geistes. Jeder Geniale ist äußerlich Realist, weil er dem Ideal zur Herrschaft verhelfen will mit allgemeiner Wurschtigkeit. Ophelia, geh ins Kloster! Gerade solches aber nennen wir Genie, wohl zu unterscheiden vom Talent, dem nachahmenden anempfindenden ohne Leidenschaft. »Poesie, die nur Leidenschaft ist«, singt Byron. Diese tiefe verhaltene Leidenschaft erfüllte das ganze Wesen des Großen, bei dem idealste Gefühle und realste Berechnungen Hand in Hand gingen. Ein Shakespeare der Tat. Dramatiker und Drama, das weltgeschichtliche Schauspiel, das er schuf, und das Trauerspiel seines eigenen Innern, alles hat mal ein Ende. Und der Rest ist Schweigen. Doch donnernd durch alle deutsche Zeiten fährt er dahin, Wotan mit dem Schlapphut, dem furchtbaren Blauauge und dem grimmen Ernst der Stirn, ob der Mund noch so gütig lächelt. Einst wird kommen der Tag, wo seine große Nation, seiner würdig, sich in ihm spiegelt.
    »Soll mich doch wundern,« lachte er leise vor sich hin, »was der selige Coffin im Jenseits denkt. Die Wette hab' ich gewonnen.«

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