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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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schlotterte in seinem Überzieher, sein langes weißes Haar hing ihm wirr über die Backen. Er glich einer Trauerweide über dem Grabe einer greisenhaft verfallenden Rasse. Doch der kleine Thiers verkörperte Mut und Klugheit des französischen Nationalgeistes und nahm den Handschuh auf, rang wie ein Mann für sein Vaterland. Er drohte mit Europa.
    »Europa, was ist das? Doch da wir einmal davon sprechen, so will ich von einem Kaiser in Kassel reden, auf den zweihunderttausend französische Bajonette warten, um ihn wieder auf den Thron immer zu setzen, wenn es uns beliebt.« Diese Drohung ging dem kleinen Thiers durch Mark und Bein. Und wenn er wieder mal Lust bekam, von Europa zu reden, unterbrach er sich rasch: »Ich bitte um Verzeihung.« Berufung auf Rotschild fruchtete hingegen, der Kanzler ließ eine Milliarde ab. Als aber Thiers, frech geworden wie ein echter Franzmann, jetzt auf einmal nur zwei Milliarden zahlen wollte, verlor Otto die Geduld.
    »Ich sehe wohl, daß Sie den Krieg wieder beginnen wollen. Und Ihre guten Freunde, die Engländer, werden Sie dabei mit Rat, obschon nicht mit Tat, unterstützen.« Er schritt zornig auf und nieder. »Ich habe genug von solchen Winkelzügen. Auf längst erledigte Fragen zurückkommen heißt mir meine Zeit rauben. Und ein für allemal: meine Bedingungen sind ein Ultimatum.«
    Wütend sprang Thiers auf, erhob sich in seiner ganzen Liliputgröße und sprudelte hervor: »Das ist eine Ausraubung, eine Unwürdigkeit!«
    Mit eiserner Selbstbeherrschung gab Otto darauf keine andere Antwort, als daß er plötzlich deutsch zu reden anfing. Die Eulenaugen des kleinen Männchens öffneten sich weit, als wisse er nicht, was er daraus machen solle. Er hörte eine Weile zu und maulte dann in quängeligem Tone: »Sie wissen, Herr Graf, daß ich nicht Deutsch verstehe.« Kaltblütig erteilte ihm sein schrecklicher Gegner die Bastonade: »Als Sie von Unwürdigkeit sprachen, fand ich, daß ich nicht genügend Französisch verstehe, um in gleichem Tone zu antworten. Ich ziehe vor, Deutsch zu reden. Da weiß ich, was ich höre und was ich sage.«
    Thiers verstand, und als einzige Antwort ging er an den Tisch, wo das betreffende Dokument lag, und unterschrieb die Geldforderung.
    »Aber Metz, Metz! Eine altfranzösische Stadt! Und Belfort, noch französischer!«
    »Der Generalstab ist unerbittlich in bezug auf Metz. Wie Sie wissen, hatte ich da selber Zweifel, ich möchte nicht viel Franzosen in unserem Hause. Doch die militärische Notwendigkeit entscheidet. Auch würde man uns in Deutschland hübsch anschauen, wenn wir diese alte deutsche Reichsstadt nicht reintegrierten. Seien Sie froh, daß wir Ihnen Toul und Verdun lassen, die durch Verrat an Frankreich fielen, und das alte deutschlothringer Nanzig. Das haben Sie mir abgehandelt, doch keinen Fußbreit mehr.«
    »Aber Belfort gehörte nie zum Deutschen Reich.«
    »Dann wird es jetzt dazu gehören.«
    »Diese heldenmütige Festung, die sich gegen alle Angriffe hielt –«
    »Drum eben! Sie ist sehr stark. Man muß dem Feinde alle Beißzähne ausbrechen.«
    »Sehr wohl.« Thiers erhob sich, ruhig, mit dem Mut der Verzweiflung. »Wie Sie wünschen. Unsere Verhandlung ist ein Vorwand. Ihre wahre Absicht ist, uns unter Ihr Joch zu zwingen, uns in den Staub zu treten. Sie möchten uns ausrotten, vertilgen. Sei es so. Rauben Sie unsere Provinzen, hängen Sie unsere friedliche Bevölkerung auf, vollenden Sie Ihr Werk. Wir aber werden fechten bis zum letzten Odem. Wir werden sterben, doch nicht entehrt sein.«
    Ach, es stirbt sich nicht so leicht! Ein Brite würde kalthöhnisch, ein Franzose mit liebenswürdigem Achselzucken zur Tagesordnung übergegangen sein. Frankreich war nicht in der Lage, irgendwelchen Widerstand entgegenzusetzen, es konnte nur die Verwüstung auch des Südens auf sich nehmen, sich auf fünfzig Jahre ausstreichen. Hätte man das Doppelte gefordert, so mußte es auch dies geben. Doch im eisernen Kanzler blieb immer noch der Sauerteig des Michel zurück, die unergründliche Gutmütigkeit und die Fähigkeit, sich an des andern Stelle zu versetzen und mit ihm zu fühlen. Vielleicht war es in Moltke die halbdänische Abkunft, was ihn von diesem deutschen Gebrechen befreite, das doch zugleich die schönste Blüte der Menschlichkeit bedeutet und in keiner andern Rasse als der deutschen wurzeln kann. Sehr bewegt tröstete Otto den zitternden Greis: »Lieber Herr Thiers, mir geht Ihr Kummer zu Herzen, und ich wäre nur zu

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