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Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen

Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen

Titel: Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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stellte er fest.
    »Und?«
    »Ist das gerecht?«, fragte er leichthin, doch die Intensität seines Blickes war ungebrochen.
    Ich lachte kurz auf. »Seit wann ist das Leben denn gerecht?«
    »Jetzt, wo du’s sagst – stimmt, seit wann?«, antwortete er trocken.
    »Das ist die ganze Geschichte«, beharrte ich und kapierte nicht, warum er mich immer noch so anstarrte.
    »Du verstellst dich ausgezeichnet«, sagte er langsam. »Aber ich wette, dass es dir viel mehr ausmacht, als du irgendjemandem zeigst.«
    Ich verzog mein Gesicht, widerstand dem Impuls, ihm wie eine Fünfjährige die Zunge rauszustrecken, und schaute weg.
    »Hab ich Unrecht?«
    Ich versuchte ihn zu ignorieren.
    »Dachte ich’s mir doch«, murmelte er selbstgefällig.
    »Was interessiert dich das denn?«, fragte ich verärgert. Ich schaute ihn nicht an, sondern beobachtete Mr Banner bei seiner Runde durch die Klasse.
    »Das ist eine sehr gute Frage«, sagte er so leise, dass ich mich fragte, ob er mit sich selbst geredet hatte. Doch nach ein paar Sekunden des Schweigens wurde mir klar, dass ich keine andere Antwort bekommen würde.
    Ich seufzte und starrte erbost zur Tafel.
    »Nerve ich dich?«, fragte er. Es klang amüsiert.
    Wieder schaute ich ihn an, ohne nachzudenken … und wieder antwortete ich ganz wahrheitsgemäß. »Nicht du, ich selbst nerve mich. Ich bin so leicht zu durchschauen – man kann mir alles vom Gesicht ablesen. Meine Mutter nennt mich immer ihr offenes Buch.« Ich runzelte die Stirn.
    »Im Gegenteil, ich finde es außerordentlich schwer, dich zu durchschauen.« Trotz allem, was ich gesagt und er vermutet hatte, schien er es ernst zu meinen.
    »Dann bist du wohl besonders gut darin«, erwiderte ich.
    »Normalerweise schon.« Er grinste breit und offenbarte eine Reihe perfekter, blendend weißer Zähne.
    In dem Augenblick rief Mr Banner die Klasse zur Ruhe, und ich drehte mich erleichtert in seine Richtung, um zuzuhören. Ich konnte nicht glauben, dass ich diesem seltsamen, schönen Jungen, von dem ich nicht wusste, ob er mich verachtete oder nicht, gerade meine ganze öde Lebensgeschichte erzählt hatte. Unser Gespräch hatte ihn anscheinend gefesselt, doch jetzt sah ich aus den Augenwinkeln, dass er sich erneut von mir weglehnte und mit unverkennbarer Anspannung die Tischkante umklammerte.
    Mr Banner demonstrierte mit Hilfe von Folien auf dem Overheadprojektor, was ich ohne Schwierigkeiten unter dem Mikroskop gesehen hatte. Ich versuchte Konzentration vorzutäuschen, doch meine Gedanken ließen sich nicht im Zaum halten.
    Als es endlich klingelte, schoss Edward ebenso blitzartig und anmutig aus dem Raum wie am vergangenen Montag. Und wieder starrte ich ihm voller Verwunderung hinterher.
    Da kam auch schon Mike angesprungen und griff nach meinen Büchern. Ich stellte ihn mir mit wedelndem Schwanz vor.
    »War das schrecklich«, stöhnte er. »Die sahen alle genau gleich aus. Ein Glück für dich, dass du mit Cullen zusammensitzt.«
    »Ich hatte keine Probleme«, sagte ich, pikiert von seiner selbstverständlichen Annahme, es sei mir ebenso schwergefallen wie ihm. Doch sofort bereute ich es, ihn so abgefertigt zu haben. »Ich hab die Übung aber schon mal gemacht«, fügte ich hinzu, um ihn nicht zu verletzen.
    »Cullen schien ja heute ganz freundlich zu sein«, kommentierte er, während wir unsere Regenjacken anzogen. Er war offensichtlich nicht sehr erfreut darüber.
    Ich gab mich gleichgültig. »Wer weiß, was er letzte Woche hatte.«
    Auf dem Weg zur Turnhalle konnte ich mich kaum auf Mikes Geschwätz konzentrieren, und beim Sport gab es auch nicht viel, was meine Aufmerksamkeit fesselte. Mike war heute in meiner Mannschaft und deckte ritterlich meine Position zusätzlich zu seiner ab, weshalb meine Träumereien nur dann kurz unterbrochen wurden, wenn ich mit der Angabe an der Reihe war und alle in meiner Mannschaft vorsorglich in Deckung gingen.
    Als ich zum Parkplatz lief, war von dem Regen nur noch feuchter Nebel übrig geblieben, doch mir war trotzdem wohler, als ich im trockenen Fahrerhaus saß. Ich stellte die Heizung an – selbst das ohrenbetäubende Dröhnen des Motors war mir jetzt egal. Ich öffnete den Reißverschluss meiner Jacke, zog mir die Kapuze vom Kopf und schüttelte meine Haare, damit die warme Luft sie auf dem Weg nach Hause trocknen konnte.
    Als ich mich umschaute, um zu sehen, ob hinter mir frei war, fiel mein Blick auf eine unbewegte Figur: Edward Cullen lehnte an der Vordertür des Volvos, drei

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