Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
sitzen.«
»Aber es ist kalt«, maulte ich. Ich war überrascht, als er leise vor sich hin lachte. Es klang irgendwie nervös.
Plötzlich fiel es mir wieder ein: »Du warst dort drüben.« Sein Kichern erstarb. »Bei deinem Auto.«
In sein Gesicht trat ein harter Ausdruck. »Nein, war ich nicht.«
»Ich hab dich gesehen.« Um uns herum herrschte Chaos. Von fern näherten sich die schrofferen Stimmen von Erwachsenen. Doch ich ließ nicht locker – ich hatte Recht, und er würde es zugeben.
»Bella, ich stand neben dir und ich hab dich zur Seite gezogen.« Und als wollte er mir etwas Wichtiges mitteilen, entfesselte er die ganze, überwältigende Kraft seines Blickes.
»Nein.« Ich war entschlossen, nicht nachzugeben.
Das Gold in seinen Augen funkelte. »Bella, bitte.«
»Warum?«
»Vertrau mir«, bat er leise, mit unwiderstehlich sanfter Stimme.
Dann hörte ich die Sirenen. »Versprichst du, mir später alles zu erklären?«
»Schön, wie du willst«, sagte er mit plötzlicher Gereiztheit.
»Schön«, erwiderte ich wütend.
Sechs Rettungshelfer und zwei Lehrer – Mr Varner und Coach Clapp – waren notwendig, um den Van weit genug beiseitezuschieben, damit sie mit den Tragen zu uns herankamen. Edward lehnte es vehement ab, sich tragen zu lassen, und ich versuchte dasselbe, doch dieser Verräter sagte ihnen, dass ich mir den Kopf gestoßen und wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung hatte. Ich starb fast vor Scham, als sie mir die Halskrause anlegten. Es sah aus, als hätten sich sämtliche Schüler und Lehrer eingefunden, um mit ernsten Mienen zuzusehen, wie ich in den Krankenwagen geschoben wurde. Edward durfte vorne sitzen. Es war zum Verrücktwerden.
Und zu allem Unglück traf auch noch Charlie in voller Polizeimontur ein, bevor sie mich fertig einladen und abtransportieren konnten.
»Bella«, brüllte er panisch, als er mich auf der Trage erkannte.
»Mir geht’s gut, Char- Dad«, sagte ich matt. »Nichts passiert.«
Er wandte sich an den erstbesten Rettungshelfer, um eine zweite Meinung einzuholen, und ich blendete ihn aus, um mich dem Wirrwarr der unerklärlichen Bilder zu widmen, die mir durch den Kopf schossen. Als sie mich auf die Trage gehoben hatten, war mir die tiefe Delle in der Stoßstange des hellbraunen Autos aufgefallen – eine sehr ausgeprägte Delle, die genau den Konturen von Edwards Schultern entsprach … als hätte er sich mit genug Kraft gegen das Auto gestemmt, um dessen Metallrahmen zu beschädigen …
Und dann war da das Verhalten seiner Geschwister: Sie hatten etwas abseitsgestanden und das Geschehen, ihren Gesichtern nach zu urteilen, mit einer Mischung aus Ablehnung und Wut verfolgt, doch ohne sichtbare Sorge um das Leben ihres Bruders.
Ich suchte nach einer logischen Erklärung für das, was ich gerade erlebt hatte – einer, die nicht darauf hinauslief, dass ich geisteskrank war.
Wie nicht anders zu erwarten, wurde der Krankenwagen von einem Streifenwagen zum Bezirkskrankenhaus eskortiert. Während der gesamten Ausladeprozedur fühlte ich mich der Lächerlichkeit preisgegeben, was noch dadurch verstärkt wurde, dass Edward gewohnt elegant und unbehelligt von fremder Hilfe durch die Krankenhaustüren schritt. Wütend biss ich die Zähne zusammen.
Sie brachten mich in die Notaufnahme, einen langen Raum mit nebeneinander aufgereihten Betten, zwischen denen pastellfarben gemusterte Vorhänge hingen. Eine Krankenschwester legte mir die Manschette zum Blutdruckmessen um den Arm und pumpte sie auf, dann schob sie mir ein Thermometer unter die Zunge. Da sich niemand die Mühe machte, den Vorhang weit genug zu schließen, um mir ein wenig Privatsphäre zu verschaffen, kam ich zu dem Schluss, dass ich nicht länger verpflichtet war, die alberne Halskrause zu tragen. Sobald die Schwester gegangen war, öffnete ich den Klettverschluss und schmiss sie unter das Bett.
Dann wurde es erneut hektisch; eine weitere Traube Krankenhauspersonal, eine weitere Trage, die zum Bett neben mir gebracht wurde. Unter den blutbeschmierten Binden, die eng um seinen Kopf gewickelt waren, erkannte ich Tyler Crowley aus meinem Politikkurs. Er sah hundertmal schlimmer aus, als ich mich fühlte, trotzdem musterte er mich mit bangem Blick.
»Bella, es tut mir so leid!«
»Mir geht’s gut, Tyler – aber was ist mit dir, du siehst schrecklich aus!« Während wir sprachen, wickelte eine Schwester die schmutzigen Binden ab und legte unzählige oberflächliche Schnittwunden auf seiner Stirn
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