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Biss sagt mehr als tausend Worte

Biss sagt mehr als tausend Worte

Titel: Biss sagt mehr als tausend Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Moore
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und diesen verließ er mit einem Paar Joggingschuhen und Strümpfen. Nachdem er etwa einen Block weit gekommen war, auf dem Weg zu seinem nächsten Ziel, kehrte er um, ging zurück zum Nike Store und kaufte sich selbst auch ein Paar Joggingschuhe. Sie brachten ihn so leicht und federnd zu seinem nächsten Ziel, dass er schon anfing zu hüpfen, doch er beherrschte sich und ging wieder dazu über, gemessenen Schrittes, seinen Schwertstock in der Hand, dahinzuschreiten. Einen kleinen Japaner mit orangefarbenen Socken und Pork-Pie-Hut — samt Schwert — mochten die Leute ignorieren, aber wer durch die Gegend lief und ungezügelte Lebensfreude zum Ausdruck brachte, der steckte bereits in einer Zwangsjacke, noch bevor er die erste Strophe von Tritratrullala gesungen hatte.

    Als Nächstes fand sich Okata in der samtigen Welt einer Victoria’s-Secret-Boutique wieder. Der Valentinstag stand bevor, und der ganze Laden war in Pink und Rot geschmückt, mit großen Schaufensterpuppen, die in einem Hauch von Nichts herumstanden. Es roch nach Gardenien. Junge Frauen liefen hin und her, schweigend, jede mit der Dekoration ihrer selbst beschäftigt, rein und raus aus den Umkleidekabinen, zurück zu den Regalen, tastend, fühlend, die Spitze streichelnd, den Satin, die gekämmte Baumwolle, um dann zur nächsten erotischen Darbietung überzugehen. Er stellte sich vor, so müsste es im Kontrollraum einer Vagina zugehen. Er war Künstler und noch nie in einem Kontrollraum gewesen  – und seit vierzig Jahren auch in keiner Vagina mehr  –, doch meinte er sich zu erinnern, dass es sich ähnlich anfühlte. Was hier geschah, war ihm jedoch zu freizügig, und er setzte sich auf ein rundes rotes Samtsofa, um die ungestüme Erinnerung zu verbergen, die in seiner Hose heranwuchs.
    Eine zarte Asiatin mit einem Namensschildchen trat an ihn heran. Er gab ihr seine Liste, sagte »Bitte« und wurde abrupt aus seiner fusseligen, separaten Welt gerissen, als sie ihm auf Japanisch antwortete.
    »Ist das für Ihre Frau?«, fragte sie.
    Er wusste nicht, was er antworten sollte. Sie stand bei ihm in diesem Raum, diese junge Frau, in einem Vagina-Kontrollraum, bei ihm und seinen erotischen Erinnerungen. Er spürte, wie sein Gesicht ganz heiß wurde.
    »Für eine Freundin«, sagte er. »Sie ist krank und hat mich hergeschickt.«
    Das Mädchen lächelte. »Sie scheint genau zu wissen, was
sie will, und ihre Größen stehen auch da. Wissen Sie, welche Farben sie besonders mag?«
    »Nein. Das überlasse ich Ihnen«, sagte er.
    »Warten Sie hier. Ich werde Ihnen ein paar Muster holen. Dann können Sie entscheiden.«
    Er wollte sie aufhalten oder weglaufen oder sich unterm Sofa verkriechen und sein Dilemma verbergen, doch Gardenienduft lag in der Luft wie Opium, und leise Musik spielte im Metrum der langsamen Liebe, und die jungen Frauen schwebten um ihn herum wie durchscheinende Geister, und seine Schuhe waren sehr, sehr bequem, und so sah er sich an, wie die junge Frau Büstenhalter und Slips auspackte und wieder einsammelte wie Rosenblüten, um sie auf einen verschneiten Himmelspfad zu streuen.
    »Mag sie Schwarz?«, fragte die Frau, als sie die Jeans in der Levi’s-Tüte sah.
    »Rot«, hörte Okata sich sagen. »Sie mag rot wie Rosenblätter.«
    »Ich pack Ihnen die Sachen hier ein«, sagte sie. »Zahlen Sie bar oder mit Karte?«
    »Bar, bitte.« Er reichte ihr zweihundert Dollar.
    Er wartete auf dem Sofa, blendete seine Umgebung aus, den Duft, die Musik, die betörenden Frauen, und dachte an Kendo-Übungen, sein Training und daran, wie müde, wie schrecklich erschöpft er war. Als das Mädchen wiederkam, um ihm die rosa Tüte und sein Wechselgeld in die Hand zu drücken, konnte er aufstehen, ohne dass es ihm peinlich sein musste. Er bedankte sich bei ihr.
    »Kommen Sie gern wieder«, sagte sie.
    Gerade wollte er gehen, da fiel sein Blick auf den Einkaufszettel
des verbrannten Mädchens, und er sah das Schwein, den Fisch, die Kuh, die sie gezeichnet hatte, und er dachte daran, wie schwierig es werden würde, dem Schlachter zu erklären, was er brauchte. Also sprach er die Verkäuferin noch einmal an.
    »Verzeihen Sie. Würden Sie mir vielleicht einen Gefallen tun?«
    Auf rosigem Briefpapier mit roten und silbernen Herzchen schrieb sie auf Englisch: 4 Liter Blut — von Kuh, Schwein oder Fisch . Es würde ihm den Umgang mit dem neuen Schlachter sehr erleichtern, wenn er ihm einen Bestellzettel geben konnte. Noch einmal bedankte er sich bei ihr,

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