Bissige Gäste im Anflug
rösten!«
Dirk van Kombast war wieder am Zellenfenster angelangt. Er umfasste die Gitterstäbe mit den Händen. Sie waren aus Stahl und so dick, dass seine Daumen die Fingerspitzen nicht berührten. Er rüttelte mehrmals kräftig am Gitter. Es bewegte sich keinen Millimeter. Dirk van Kombast stieß mit der Stirn gegen das Gitter, dann ließ er den Kopf hängen. Als er ihn wieder hob und zum Mond sah, waren seine Augen wässrig. Das kam sonst nur vor, wenn eine seiner Kontaktlinsen verrutscht war.
»Mutti!«, rief Dirk van Kombast. »Hol mich hier raus!«
Unter normalen Umständen hätte Dirk van Kombast nie nach seiner Mutti gerufen. Er war ein erwachsener Mann. Er hatte einen silbernen Sportwagen, ein Wasserbett und ein Abonnement für eine Gesundheitszeitschrift. Außerdem wusste er, dass seine Mutti ihn nicht hören konnte. Nicht, weil sie alt war und es mit den Ohren hatte, sondern weil sie etliche Kilometer entfernt in Deutschland in einer geschlossenen Anstalt saß.
Nun hatte man also beide, Mutter und Sohn, weggesperrt. Und wer war schuld daran? Dirk van Kombast schlug mit der Faust gegen die Zellenwand. »Vermaledeite Vampire!«, rief er. Dann verzog er das Gesicht und schüttelte die Hand aus, als könne er die Schmerzen aus den Fingerspitzen schleudern.
Seine Mutter hatte bereits vor Jahren, als Dirk noch zur Schule ging, ein einschneidendes Vampirerlebnis gehabt. Seit diesem Erlebnis war Irene van Kombast in der normalen, geordneten deutschen Gesellschaft nicht mehr funktionsfähig. Sie wurde auf Raten der Ärzte in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Dort freundete sie sich mit einem Mann an, der behauptete, er käme vom Mars. Mit ihm spielte sie Poker. Ihre andere große Freude war, wenn ihr Sohn sie besuchte.
Dirk van Kombast besuchte seine Mutti sehr oft. Bei jedem Besuch wurde er in seinem Beschluss, den er vor Jahren gefasst hatte, bestärkt: Er würde seine Mutter rächen. Er würde die Vampire – die weltweit besser organisiert waren als jede Mafia, da war sich Dirk van Kombast mittlerweile sicher – entlarven, an den Pranger stellen und vernichten.
Seit Jahren arbeitete er im blutigen Untergrund als Vampirjäger, gut getarnt als solariumgebräunter Pharmavertreter. Vor ein paar Wochen hatte sich bestätigt, was Dirk van Kombast schon immer geahnt hatte: Die Vampire sind mitten unter uns! In das Reihenhaus direkt neben ihn war Familie Tepes aus Transsilvanien eingezogen. Es dauerte nicht lange, bis Dirk van Kombasts Beobachtungen ergaben, dass seine neuen Nachbarn nicht ganz normal waren. Auch den anderen Bewohnern der Reihenhaussiedlung dürfte das nicht entgangen sein. Doch nur Dirk van Kombast wusste, dass er es bei Herrn Tepes mit einem Vampir und bei den Töchtern mit zwei Halbvampiren zu tun hatte.
Ihretwegen war er vor einer Woche nach Rumänien gereist. Ihretwegen hatte er sich mitten in einem undurchdringlichen Wald vor den Toren der unterirdischen Stadt Bistrien auf die Lauer gelegt. Ihretwegen saß er jetzt hinter rumänischen Gardinen aus Stahl.
Das alles war ein einziges transsilvanisches Missverständnis. Er hatte Helene Steinbrück vor einem Biss von einem blutrünstigen Jungvampir der gefährlichsten Sorte bewahrt. Heldenhaft hatte er sich in den Kampf gestürzt und mit seiner Garlic Gun dreihundert Knoblauchzehen auf den Vampir abgefeuert. Wie er später erfuhr, hatte selbst diese Ladung nicht ausgereicht, um den Vampir in die ewigen Abgründe zu befördern, sondern ihn nur in ein Koma fallen lassen.
Statt dem Vampir hatte die rumänische Polizei den Vampirjäger festgenommen. Dirk van Kombast konnte es noch immer nicht fassen. Es war eine verkehrte Welt! Er würde sich beim Innenministerium beschweren. Er wollte eine Entschädigung. Aber zunächst wäre er erst einmal froh, wenn er etwas von Herrn Dr. Gödeke-Schnitzlein hören würde.
Herr Dr. Gödeke-Schnitzlein war Dirk van Kombasts Anwalt. Er war sehr gewissenhaft und konnte knallhart sein. Nur im Moment nicht. Da war er kokosbutterweich. Herr Dr. Gödeke-Schnitzlein erholte sich gerade von all den Paragrafen. Drei Wochen lang. In der Karibik. Mit seiner zweiten Frau. Der Anrufbeantworter in seiner Kanzlei in Bindburg blinkte. Der Hilferuf des Vampirjägers aus Rumänien blieb ungehört.
Dirk van Kombast sah zum Himmel, auf dem bereits die ersten Sterne zu sehen waren. Er fragte sich, ob seine Mutti jetzt in Bindburg auch aus dem Fenster blickte und genau diese Sterne sah. Oder spielte sie mit dem Marsmann
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