Bissige Gäste im Anflug
den bloßen Händen zu würgen, ihn ins Ohr zu beißen oder ihm sein Knie in die Seite zu rammen. Doch das schien Dirk van Kombast unklug, wenn er an die momentane luftige Lage dachte und sich daran erinnerte, wie Urio Transgoliato mit dem kleinen Finger das stählerne Gitter vom Fenster gerissen hatte.
»Also, was ist? In welche Richtung müssen wir?«, fragte Urio Transgoliato.
Dirk van Kombast schlang die Beine um die Hüften des Vampirs, richtete sich ein wenig auf und zeigte mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger in die Nacht. »Nach Norden!«
Wiedersehen macht
Gänsehaut
L udo Schwarzer saß in einem Sessel aus der Zeit des Biedermeiers. In dem Sessel hatte schon sein Ururopa gesessen. Ludos Fußspitzen berührten gerade so den Boden. Die Sessellehne umgab Ludos Kopf wie ein gigantischer Helm. Manchmal stellte sich Ludo vor, der Sessel wäre eine Kapsel, mit der er durch die Zeit reisen könnte. Er fühlte sich sehr wohl in dem alten Sessel.
»Und dann haben wir Helene noch den Flugparcours gezeigt«, sagte Daka. Sie hing kopfüber an der Gardinenstange im Fenster. Die Gardine hatte sich in ihren schwarzen Haarstacheln verfangen und sah aus wie ein Schleier.
»Und den Blutmarkt«, fügte Silvania hinzu. Sie lag wie eine Diva auf einem Diwan.
»Und das Theatnyk«, meldete sich Helene zu Wort, die auf einem Hocker saß und kippelte.
Ludo hatte die Fingerspitzen aneinandergelegt und nickte. Seit einer Stunde hörte er sich die Geschichten aus Bistrien an, die seine Freundinnen in den Ferien dort erlebt hatten. Er hatte von Oktavians Gruft, von eingelegten Ratten, vom Flug mit Pupsantrieb, von rotzenden Jungfrauen, vom Ha-Chi-Kampf und von Silvanias Saikato-Auftritt gehört. Langweilig war ihm keine Sekunde geworden, höchstens schwindlig.
»Und jetzt sag bloß nicht, du hast das alles vorausgesehen«, sagte Daka.
»Hätte ich das alles gesehen, wäre ich garantiert mitgekommen.« Ludo sah auf seine Fingernägel und verzog das Gesicht. »Wenn mich meine Eltern gelassen hätten.«
Ludos Eltern waren gerade beim Kunstturmspringwettkampf von Fero. Fero war Ludos Bruder. Er war etwas älter und etwas sportlicher als Ludo. Ludos Eltern wussten nichts von dem vampwanischen Blut, das in den Adern von Ludos neuen Freundinnen floss. Von Ludos übernatürlichen Fähigkeiten wollten sie nichts wissen. Ludos Vater war Physiker. Er konnte alles mit den Naturgesetzen erklären. Sogar die Liebe. Ludos Mutter war Schreinerin. Sie glaubte an handfeste Sachen und an das, was sie sah.
»Dein Opa hätte dich bestimmt mit nach Transsilvanien fliegen lassen«, meinte Helene.
»Der wäre selbst mitgegflogen und gleich dortgeblieben«, sagte Ludo.
Ludos Opa hatte, genau wie Ludo, besondere Fähigkeiten. Er konnte durch Gegenstände sehen und hatte einen ausgeprägten Geruchssinn. So behauptete er zumindest. Nachweisen ließ sich das nur schwer. Immerhin hatte er vor Jahren einmal einen fünf Kilometer entfernten Waldbrand gerochen und bei einer Fleischwarenfachverkäuferin durch die Hose eine Zecke in der Kniekehle gesehen. Die Fleischwarenfachverkäuferin hatte dann allerdings mehr Angst vor Ludos Opa als vor der Zecke.
Mit zunehmendem Alter wurden diese Fähigkeiten leider immer schwächer. Wenn sich Zapko Schwarzer nicht gerade ein Experiment ausdachte, um den Rückgang seiner Fähigkeiten aufzuhalten, ging er seiner neuen Leidenschaft nach: dem Kochen und Backen. Das war auch ein Experiment.
Ludo hatte nur seinem Opa anvertraut, dass Silvania und Daka Halbvampire waren. Wobei Zapko Schwarzer schon etwas in der Art gerochen hatte.
»Wo wäre ich geblieben?«, fragte er, als er jetzt mit einem dampfenden Tablett ins Zimmer kam.
»Dort, wo kein Knoblauch wächst«, sagte Ludo und schielte mit gerunzelter Stirn auf das Tablett. Darauf lagen mehrere kleine braune, dampfende Häufchen.
Helene, die immer Hunger hatte und fünf Portionen Pommes hintereinander schaffte (mit Majo und Ketchup), reckte den Hals. »Kann man das essen?«
Zapko Schwarzer stellte das Tablett auf den Wohnzimmertisch. »Erdnuss-Muskat-Schwarzfußporling-Kartoffel-Maroni-Bucheckern-Pinien-Hallimasch-Sesam-Haufen.«
Daka und Silvania starrten mit offenem Mund auf das Tablett. Helene fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ludo sah seinen Opa ängstlich an.
»Ob man das essen kann, weiß ich auch nicht. Ein bisschen guten Willen müsst ihr schon aufbringen. Sie sind auf jeden Fall knoblauchfrei. Greift zu«, sagte Ludos Opa. »Und lasst euch von
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