Bitte keine Rosen mehr
berichten. Er würde sie nicht goutiert und derartige Äußerungen womöglich gar für subversiv gehalten haben.
Zwei Tage darauf kehrte ich von einer Besprechung beim Korps zurück und fand auf meinem Tisch ein Paket vor. Die diensttuende Ordonnanz sagte, es sei von einem Italiener abgegeben worden, der einen Wagen gefahren und einen von mir unterzeichneten Passierschein vorgewiesen habe. In dem Paket befand sich eine Flasche Martell V.S.O.P. sowie eine Rechnung über zweitausend Lire, die auf einem Papier ausgefertigt war, das einen gedruckten Briefkopf auf englisch aufwies, der auf CARLO LECH Doctor of Jurisprudence lautete und eine Adresse in Neapel nannte.
Ich war nicht gesonnen, zweitausend Lire für eine Flasche Cognac zu zahlen, obschon sie zu jener Zeit weit mehr wert war als das, und es wäre keineswegs ratsam gewesen, die Flasche zu behalten, ohne irgend etwas zu zahlen. Der übereifrige Korporal, der Carlo festgenommen hatte, würde es gewiß erfahren und überall herumerzählen, ich hätte mich bestechen lassen. Andererseits kam es mir verletzend und hochmütig vor, die Flasche zurückzuschicken. Ich ging daher zum dienstältesten Feldwebelleutnant des Divisionsstabes und fragte ihn um Rat. Er pflichtete mir bei, daß der Preis es wie eine Bestechung aussehen lassen würde, aber er fand den Cognac auch zu gut, um ihn uns entgehen zu lassen. Sein Vorschlag ging dahin, die Flasche in der Kantine des Divisionsstabes zu verlosen, das Los zu je fünfzig Lire, und alles Geld, das den Betrag von zweitausend Lire überstieg, der Kantinenkasse zuzuführen. Die Flasche gewann ein Stabssergeant des Ordonnanzkorps. Wir unterhielten einen Luftkurierdienst nach Neapel, über den ich Carlo die zweitausend Lire in AMGOT -Papiergeld zusammen mit einer maschinegeschriebenen Quittung zur Unterschrift zustellen ließ.
Die Quittung kam schließlich zurück. Unter seinen Namen hatte Carlo geschrieben: »Vielen Dank. Auf bald.«
5
I
ch hatte gesagt, daß ich Krom und den Zeugen vor dem Essen einen Weißwein aus der Provence zu trinken gab. Das trifft auch zu. Was ich nicht erwähnt habe, ist, daß es sich dabei nicht um den üblichen Provence-Wein handelte, der zum Beispiel zu einer deftig mit Knoblauch gewürzten Bouillabaisse getrunken wird und die Feuerprobe überstehen kann. Was ich ihnen zu trinken gab, war der trockene Weiße mit ganz wenig Körper aus der Gegend der kleinen Hafenstadt Cassis bei Marseille. Es kommt nicht allzu viel davon in den Handel, und auf seine unaufdringliche Weise ist er sehr gut. Er ist jedoch recht empfindlich – eine Bouillabaisse würde ihn mausetot schlagen – und muß achtsam behandelt werden.
Unglückseligerweise war der Mann der Köchin, der die Stirn hatte, sich einen Butler zu nennen, davon überzeugt, jeder Weißwein müsse zum Kühlen unbedingt in den Kühlschrank oder gar, wie ich argwöhne, für eine Stunde in die Tiefkühltruhe gelegt werden.
Ich hatte den Tölpel bereits vor einer derartigen Brutalität gewarnt, aber an jenem Abend hielt er sich, möglicherweise weil es draußen so heiß war, nicht an meine Weisung und servierte ihn viel zu kalt. Das Resultat war, daß er wie Wasser schmeckte.
Und dem entsprach es denn auch, wie Krom ihn zu trinken beliebte. Ja, ich weiß, er hatte einen langen, heißen Tag hinter sich, hatte viel geschwitzt und war vermutlich ein wenig dehydriert; aber die Flasche Evianwasser, die in seinem Zimmer für ihn bereitgestellt war, hätte dem abhelfen können. Worüber er sich nicht klar zu sein schien, das war der Umstand, daß die Flüssigkeit, die er so durstig in sich hineinschüttete – er trank gut und gern eine ganze Flasche vor dem Essen –, den für die Weine der Region üblichen Alkoholgehalt von etwa zwölf Prozent hatte. Oder vielleicht war er sich darüber im klaren. Vielleicht wäre er glücklicher gewesen, wenn wir alle vor dem Essen ein paar Runden doppelter Dry-Martini-Cocktails oder Schnäpse zu uns genommen hätten.
Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, daß er vor dem Essen bestimmt zuviel trank, daß er während des Essens damit fortfuhr, zuviel zu trinken, und, sobald die Pâté seinen ersten Hunger besänftigt hatte, so gut wie nichts mehr aß.
In gewisser Weise kann ich es ihm nachfühlen, daß er keinen Hunger verspürte. Jener Abend war, was ihn betraf, der Kulminationspunkt vieler Jahre hingebungsvoller Arbeit. Nun glaube ich freilich, daß die Hingabe irregeleitet gewesen ist und daß die Arbeit sich
Weitere Kostenlose Bücher