Bitte sagen Sie jetzt nichts
viele Masken?
Loriot Das ist eine Frage, die eigentlich ein Psychiater beantworten müsste. Wahrscheinlich bin ich einfach ein wenig damit erblich belastet: mein Vater und mein Großvater haben sehr gern Theater gespielt, wie man das früher in den sogenannten besseren Kreisen machte. Da wurden Laienaufführungen veranstaltet, und ich glaube, beide sind nur deshalb nicht Schauspieler geworden, weil »man« eben damals nicht Schauspieler wurde. Damit wären sie ja schwarze Schafe gewesen.
Heinrich-Jost So wie Sie?
Loriot In meiner Zeit gehörte es durchaus schon zu den Möglichkeiten eines jungen Mannes, schwarzes Schaf zu sein. Ich war in der Schule nicht gerade der Klassenclown, ganz sicher nicht, aber es hat mir immer Spaß gemacht, schon damals, jemanden nachzuahmen. Nicht, um ihn damit fertigzumachen, sondern einfach aus Freude daran, etwas nachzumachen und dadurch zu zeigen, was an absurden Möglichkeiten dahintersteht. Ich habe, ohne es zu wollen, meine Umgebung schon früh sehr genau beobachtet.
Heinrich-Jost Martha ist ein Verkleidungsund Verwechslungsspiel. Hat Sie das an der Oper Flotows gereizt?
Loriot Nein, der Intendant der Stuttgarter Oper rief mich eines Tages an und fragte, ob ich nicht eine Oper inszenieren wollte. Ich war sehr erstaunt und fragte zurück, mein Gott, welche? Da antwortete er: »Was Sie wollen.« Ich ging mit mir zu Rate und sagte mir sofort, die Opern, die mich wirklich interessieren, darf ich nicht machen, weil die Erwartungshaltung im Publikum fehlgeleitet würde. Wenn ich ankündige, dass ich den Tristan inszeniere, lachen alle und meinen, das werde halt eine Tristan- Parodie und sie haben zwei oder fünf Stunden etwas zu lachen. So etwas kam nicht in Frage. Ich musste also eine Oper wählen, die deutsch ist - weil ich die Sprache brauche, um eine gewisse Komik zu transportieren -, aber nicht von Wagner, eine Oper, die nicht so bekannt ist und mit der man etwas machen kann, ohne ein Sakrileg zu begehen. Dennoch habe ich, nachdem die Wahl getroffen war, nie daran gedacht, etwas anderes zu machen als die Martha von Flotow. Ich habe mich nicht entschließen können, mich da in den Vordergrund zu drängen und zu sagen, das ist jetzt eine Loriot-Oper, die auf Flotow basiert, nein, umgekehrt, das ist eine Flotow-Oper mit ein wenig Loriot drin.
Heinrich-Jost Im Repertoire der deutschen Opernhäuser gehört Martha zu den eher betulichen Späßen?
Loriot Ja, das ist ein Grund dafür, dass ich sagen konnte, ich schlachte da keine heilige Kuh. Aber das allein war es nicht. Sie kam einfach einem Operndebüt am meisten entgegen. Ich will ja nicht nach den Sternen greifen und ein toller Opernregisseur werden. Aber die Aufgabe hat mich ungeheuer gereizt, weil die Oper mit allem, was dazugehört, den Sängern, den Musikern, der Technik, dem Bühnenbild, den Zuschauern, ein Riesenspielzeug ist. Wenn einem das angeboten wird, kann man nicht nein sagen, genauso wenig wie ich ablehnen konnte, als man mir den Vorschlag machte, die Berliner Philharmoniker zu dirigieren. Da wird man einfach schwach.
Heinrich-Jost Ist dieses Riesenspielzeug für Sie ein Marionettentheater?
Loriot Martha erinnert mich in ihrer absonderlichen Handlung tatsächlich an ein Marionettenspiel. Mit meiner Inszenierung möchte ich die Oper zurückführen auf eine Art Kindertheater. Darin stehen Pappkulissen, hängen Soffitten, und die großen Hände des Kindes leiten das Geschehen. Die Figuren auf der Bühne sind eigentlich Papierfiguren, die von einer höheren Macht zum Zwecke der Unterhaltung in einem kleinen Theater geführt werden. Damit erfülle ich mir in gewisser Weise auch einen Kindheitswunsch. Es enttäuschte mich als Kind immer sehr, wenn auf der Bühne nicht das zu sehen war, was ich aufgrund der Inhaltsbeschreibung erwartet hätte, nämlich einen Wald, eine Stadt, ein Zimmer oder ein Schloss. Das musste ich mir alles dazudenken, und nun möchte ich das wirklich zeigen, auf eine naive Weise.
Heinrich-Jost Träumt der Wagnerianer von Bülow nicht doch von einer Wagner-Inszenierung?
Loriot Gewiss liebe ich Wagner sehr, und ich bin immer bereit, gegen die Missverständnisse zu kämpfen, denen er ausgesetzt ist. Andererseits habe ich so viele Inszenierungen gesehen, darunter waren ebenso viele gute wie schlechte, und ich habe natürlich keine Ambitionen, die schlechten um eine weitere zu vermehren. Auch weiß ich, wie schwer es ist, eine gute Wagner-Aufführung zustande zu bringen, so dass ich mir ernstlich
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