Bittere Pille
auf, als Ulbricht
mit den Reportern an die Leiche trat. »Hier hätten wir
den armen Hund.«
Stefan und Heike
betrachteten den Toten. Er hatte kurze dunkle Haare, die ihm jetzt
strähnig ins Gesicht hingen, und trug einen leichten Blaser zu
einer Jeans und Sportschuhen. Er bot einen schaurigen Anblick. Die
Leiche wirkte wächsern und war aufgequollen. Heike
erschauderte, und auch Stefan wich zurück und vergrub die
Hände in den Hosentaschen. »Weiß man schon, wie
lange der Mann tot ist?«
Ulbricht
schüttelte den Kopf. »Bei Wasserleichen ist es schwer,
den genauen Todeszeitpunkt zu ermitteln. Da müssen die
Kollegen der Gerichtsmedizin in Düsseldorf ran. Aber es gibt
Erkenntnisse, was die Bildung der Waschhaut angeht.« Er
deutete auf die wächserne Schicht, die sich auf dem Toten
gebildet hatte. »Es beginnt in den ersten fünf, sechs
Stunden nach Eintritt des Todes. Der Arzt hat die Waschhaut an den
Innenseiten der Hände festgestellt, auf dem Handrücken
jedoch noch nicht. Das deutet darauf hin, dass der Mann zwei,
vielleicht drei Tage tot ist. Hätte er die Waschhaut auch auf
dem Handrücken, wäre er vor fünf bis sechs Tagen
gestorben.«
»Was ist das
überhaupt - eine Waschhaut?« Stefan runzelte die
Stirn.
»Sie bildet sich
zuerst an den Fingern, und das schon nach dreißig Minuten,
aber das hängt ganz von der Wassertemperatur und vom
Talgüberzug der Haut des Toten ab. Am Stadium der Waschhaut
lässt sich einigermaßen genau eingrenzen, wann der Mann
gestorben ist, nur eben nicht so genau wie bei einer Leiche, die
nicht im Wasser gelegen hat. Nach gut zwei Wochen im Wasser
löst sich die Haut von den Händen und Füßen
ab, und man kann sie wie einen Handschuh abziehen. Wenn die
Fäulnis einsetzt, lösen sich auch die Haare, und das
Venennetz wird sichtbar.« Er schmunzelte
verständnisvoll, als er sah, dass Heike blass geworden war.
»Kein schöner Anblick, das kann ich Ihnen sagen.«
Dann deutete er mit dem Kinn auf den Toten. »Aber so weit ist
es bei unserem Kameraden hier ja nicht gekommen.«
Heike nickte
nachdenklich. »Was tun Sie jetzt mit ihm?«
»Wir werden erst
mal die Datenbanken durchforsten. Vielleicht taucht der Mann in
einer Vermisstenmeldung auf. Wenn nicht…« Er zuckte
die Schultern.
»Vielleicht
können wir im Radio eine Aktion starten. Womöglich kennt
einer unserer Hörer den Mann«, schlug Stefan nun vor.
»Vergessen Sie’s.« Ulbricht winkte ab. »Ich
will verdammt noch mal nicht als Depp dastehen. Am liebsten
wäre mir, wenn Sie gar nichts senden würden, aber ich
kenne Sie gut genug, um zu wissen, dass Sie nach jeder heißen
Story geifern. Von mir aus tun Sie Ihren Job, ich tue meinen. Aber
wenn Sie mir in die Quere kommen, wird scharf geschossen, darauf
können Sie verdammt noch mal Gift nehmen!«
»Schon gut,
schon gut, wir wollten ja nur helfen«, murmelte Heike.
»Nichts für ungut«, erwiderte Kommissar Verdammt.
Er winkte den Fotografen heran, der den Tatort abgelichtet hatte.
»Die Fotos von der Leiche will ich in einer Stunde auf meinem
Schreibtisch haben. Vielleicht haben wir ja doch Glück, und es
gibt eine Vermisstenmeldung über den Knaben.«
»Halten Sie uns
auf dem Laufenden?«, fragte Heike.
»Gehen Sie davon
aus, dass wir am Montag eine Pressekonferenz geben, zu der ich Sie
schon jetzt recht herzlich einladen möchte.« Ulbricht
begleitete die Reporter zum Wagen. Das junge Paar, das an dem roten
Motorroller lehnte, blickte verschreckt auf. »Wer sind denn
die beiden?«, fragte Stefan.
»Jonas Jansen
und Lisa Klein. Das sind die beiden, die den Toten entdeckt
haben«, raunte Ulbricht Stefan und Heike zu. »Der Junge
ist ambitionierter Hobbyfotograf. Er hat Fotos gemacht, zuerst vom
See, dann von seiner Freundin. Und zu Hause am Rechner haben sie
dann etwas im Wasser gesehen. Sie haben uns informiert und sind
selber noch mal rausgekommen.«
»Hm.«
Heike nickte. Sie nagte nachdenklich auf der Unterlippe, für
Stefan ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie etwas
ausheckte.
Er ließ sich
nichts anmerken und schloss die Türen des Käfers auf.
Nachdem sie sich von Kommissar Verdammt verabschiedet hatten,
atmete Heike auf. »Gott sei Dank, er hat uns keine
Nachrichtensperre reingedrückt.«
»Das dürfte
er auch gar nicht«, erwiderte Stefan. »Aber mich hat es
auch gewundert, dass er so kooperativ war heute. Sonst ist ihm die
Presse bei der Arbeit doch immer ein Dorn im Auge. Wenn ich daran
denke, welche Kämpfe wir schon mit ihm hatten, weil
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