Bittere Pille
wir
über ein Verbrechen berichtet haben, das er noch nicht
aufgeklärt hatte.«
»Vielleicht hat
er endlich begriffen, dass wir ihm helfen können.« Heike
legte den Gurt an und beobachtete Stefan, wie er den Motor
startete. Genauer gesagt: Sie beobachtete ihn, wie er versuchte,
den Motor zu starten. Denn der Käfer sprang nicht an. Heike
stöhnte gequält auf.
»Das habe ich
gleich, kann nicht viel sein.« Stefan grinste und stieg
wieder aus. Er wanderte nach hinten, öffnete die kleine
Motorhaube im Heck des Käfers und werkelte an der Maschine
herum. Als er sich nach drei Minuten mit ölverschmierten
Fingern hinter das Lenkrad klemmte und den Zündschlüssel
drehte, sprang der Motor sofort an. »Na also«, freute
er sich. »Geht doch.« Er zog die Fahrertür zu und
legte den Gang ein. Langsam lenkte er den Käfer in Richtung
Beyenburg. »Dann mal ab nach Hause. Es ist spät genug
geworden.«
*
»Was waren das
denn für Flitzpiepen, Chef?« Frank »Brille«
Heinrichs, blutjunger Kommissarsanwärter, versenkte die
Hände in den Taschen seiner Jeans und blickte dem Käfer
nach, der sich langsam vom Tatort entfernte. Heinrichs war Anfang
dreißig, hatte einen blassen Teint und lichte, blonde Haare.
Das Auffälligste an ihm war seine topmodische Brille mit
blauem Rand, weshalb er sich den Spitznamen
»Brille« eingefangen hatte. »Wupperwelle«,
murmelte Ulbricht kurz angebunden und betrachtete seinen Partner
nachdenklich. Seit einem knappen Jahr waren die beiden jetzt ein
Team. Ulbricht hatte sich jahrelang gegen einen Assistenten
gewehrt; er ermittelte am liebsten alleine. Doch der
Polizeipräsident höchstpersönlich war es gewesen,
der ihm den quirligen Assistenten zugeteilt hatte. Vermutlich hatte
es sich bis zur Leitung des Polizeipräsidiums herumgesprochen,
dass Norbert Ulbricht ein alter Griesgram war, der die Tage bis zu
seiner mehr oder weniger wohlverdienten Pensionierung bereits
zählte. Es hatte alles nichts geholfen, und obwohl die beiden
Männer grundverschieden waren, hatte Ulbricht sich seinem
Schicksal gefügt und den jungen Kollegen als Partner
akzeptiert. Er hatte keine Lust mehr, sich aufzuregen. Er
würde bis zum Tag seiner Pensionierung seine Pflicht tun.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Inzwischen hatte er sich an
Heinrichs’ flippige Art gewöhnt, nur die Tatsache, dass
der Bengel ihn ständig › Chef ‹ nannte, ging ihm nach wie
vor gewaltig auf die Nerven.
»Radio?«
Heinrichs schnaubte. Er kannte die Reporter aus Ulbrichts
Erzählungen, und in der Vergangenheit hatte sein Vorgesetzter
kein gutes Haar an Seiler und Göbel gelassen. »Sie
zeigen diesen Radioleuten unsere Leiche?«
»Es ist nicht
unsere Leiche.« Ulbricht winkte ab. »Und vielleicht
können uns die beiden ja sogar bei der Aufklärung des
Falls helfen.«
»Na, das will
ich sehen«, erwiderte Heinrichs spöttisch.
»Radioreporter, die uns bei der Arbeit helfen. Wie stellen
Sie sich das vor,
Chef?«
»Indem sie einen
Aufruf starten und ihre Hörer fragen, ob jemand den Mann
kennt. Seine Identität ist nach wie vor unklar, und wenn der
Tote nirgendwo vermisst wird, kann uns vielleicht die Stimme des
Volkes helfen.« Er legte den Kopf schräg. »Haben
Sie noch nie Aktenzeichen XY
gesehen?«
»Die Stimme des
Volkes …« Heinrichs schüttelte den Kopf.
»Sie sind der Boss, aber ich würde
ja…«
»Stimmt«,
nickte Ulbricht. »Ich bin der Boss. Und als solcher habe
ich mich dafür entschieden, mit der Presse zu kooperieren,
wenn es der Aufklärung des Mordes dient. Sie müssen noch
viel lernen, Brille.«
Heinrichs wagte keinen
Einspruch mehr. Er trottete hinter seinem Chef her, der sich jetzt
um das junge Paar kümmern wollte, bevor er den Rückweg
ins Präsidium antrat. Es gab viel zu tun, und Ulbricht hatte
das Wochenende im Geiste schon abgehakt.
4
Loh, 21:10
Uhr
Stefan hatte Heike an
der Redaktion des Senders abgesetzt. Sie hatte sich nicht davon
abbringen lassen, einen Beitrag über den geheimnisvollen
Leichenfund im Beyenburger Stausee zu sprechen, der in den
nächsten Lokalnachrichten laufen sollte. Er hatte Hunger und
bestand auf seinem freien Wochenende. Montagmorgen hatte er
Sendung, da würde er um fünf Uhr im Studio stehen - das
war ihm früh genug, da musste er sich nicht noch die
Wochenenden um die Ohren hauen.
Den gemeinsamen Abend
mit Pizza und einer »kuscheligen« DVD konnte er
vergessen, da war Stefan realistisch. Er hatte keine Ahnung, wie
lange Heike sich im
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