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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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aufgesetzten Maske eines Gutmenschen sind.« Sie zog eine angewiderte Miene. »Ins Gesicht hätte ich Ihnen spucken mögen, als ich Ihnen auf die Schliche kam. Ihr ganzes heuchlerisches Gerede bei den zahllosen Presseterminen, wie wichtig doch Organspende sei. Und wie Sie mit großer Geste Ihren eigenen Spendeausweis ausfüllten, um ihn dann in die Kameras zu halten. Ich war ja so stolz darauf, für Sie arbeiten zu dürfen und an der guten Sache mitzuwirken. Was glauben Sie, wie überrascht ich war, als ich dann am nächsten Morgen Ihren Organspendeausweis im Müll fand. Erst dachte ich natürlich an ein Versehen.« Sie lachte bitter auf. »Dass Sie beim Ausfüllen einen Fehler gemacht und ihn durch einen neuen ersetzt hätten. Sie können ganz beruhigt sein, Herr Professor Perl. Ich habe ihn aus dem Müll gefischt und gesäubert.« Sie grinste breit, fingerte die Karte aus ihrer Jackettasche und fasste ihm in die Hosentasche. Sie zog sein Portemonnaie hervor und schob das Dokument in aller Seelenruhe in ein leeres Fach zwischen seinen Kreditkarten. »Damals wurde ich misstrauisch«, fuhr sie fort. »Und habe mir auch erlaubt, einen Blick in Ihre Brieftasche zu werfen, als diese einmal ganz offen auf Ihrem Schreibtisch lag.« Sie steckte die Börse wieder in seine Hosentasche zurück. »Und, was fand ich? Einen Spendeausweis? Mitnichten! Stattdessen habe ich diesen unscheinbaren Zettel mit den vielen Nummern und Daten gefunden. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, doch aus irgendeinem Grund habe ich ihn sicherheitshalber rasch kopiert.« Sie machte eine kurze Pause und sah ihn an. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Sein hellblaues Hemd wies an den Stellen, wo es nass geschwitzt war, dunkle Flecken auf.
    »Ich sehe schon, wir haben nicht mehr viel Zeit.« Wieder sah sie auf die Uhr. »Wir wollen ja nicht, dass Ihr Herz gar zu lange aufgehört hat zu schlagen, wenn das Reanimationsteam hier ist. Ich kann Sie übrigens beruhigen. Ich werde verhindern, dass Ihr Herz ebenfalls gespendet wird. Zum einen ist es zu stark angegriffen, zum anderen will ich niemandem zumuten, mit Ihrem Herzen leben zu müssen ...« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Dieses Herz wird mit Ihnen sterben.«
    Seine Atmung wurde immer flacher, er bekam kaum noch Luft. Sein Brustkorb fühlte sich an, als wäre er in einem Schraubstock gefangen, der sich langsam zudrehte.
    »Doch wissen Sie was, Herr Professor? Wäre es nur die unfaire Vergabe der Organe gewesen, ich hätte Ihnen womöglich verziehen. Schließlich bin ich nicht völlig weltfremd. Doch als ich der Sache mit den Obdachlosen und den eingeschleusten Osteuropäern auf die Spur gekommen bin, wusste ich, was ich zu tun hatte. Wie viele waren es, denen Sie Organe entnommen und an den Meistbietenden verkauft haben, nur um eine Million nach der anderen beiseite zu schaffen? Hunderte? Tausende? Na, sagen Sie schon? Oder wann haben Sie den Überblick verloren?« Sie funkelte ihn wütend an. »Ja, natürlich, Sie können es gar nicht mehr wissen.« Müde rieb sie sich die Augen. »Übrigens, was Ihre Millionen angeht, können Sie ganz beruhigt sein. Diese werden nach Ihrem Ableben ...« - sie warf erneut einen Blick auf die Uhr - »was ungefähr in zehn Minuten sein dürfte, vielen notleidenden Menschen zugute kommen. Zwar gehört Ihnen das Geld genau genommen schon nicht mehr, da Sie ja eigenhändig und großzügig den Transfer bestätigt haben.«
    Sie sah ihn an, konnte aber keine Gefühlsregung in seinem Gesicht mehr wahrnehmen. Nur seine flache Atmung verriet ihr, dass er noch am Leben war.
    »Ja«, fuhr sie fort. »Es hat schon gewisse Vorteile, wenn der Chef einem blind vertraut. Bereits letzte Woche haben Sie das gesamte Vermögen auf ein Stiftungskonto überwiesen, auf das ich uneingeschränkten Zugriff habe. Nur Sie und ich sind bevollmächtigt. Also, genau genommen, nur ich, da Sie ja in wenigen Momenten das Zeitliche segnen. Wissen Sie, Ihr Testament zu fälschen, wäre mir zu verwegen, zu riskant gewesen. Ich wollte, dass vor Ihrem Tod alles in trockenen Tüchern ist. Und Sie können ganz beruhigt sein: Ich werde nicht einen Cent davon für mich behalten. Alles wird in eine Stiftung fließen, die Ihren Namen trägt. Wer weiß, vielleicht wird man Ihnen sogar ein Denkmal setzen. Wäre das nicht wunderbar?«
    Seine Atmung ging noch flacher. In einer krampfartigen Bewegung fuhr er sich mit der Hand an die Brust.
    Wieder sah sie auf die Uhr. »Dann werde ich mal sicherheitshalber

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