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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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die ich leidenschaftlich liebe.
    Jeden Abend sitze ich lange in der heißen Wanne, während Nina Simone in voller Lautstärke singt und die tote Großmutter mich mit freundlichen Augen aus dem antiken Kronleuchter anschaut, der zur Einrichtung gehört.
    Endlich kann ich wieder allein sein und ungestört denken. Der Herbst macht die Welt rotgelb, und ich belege einen Grundkurs in Literaturwissenschaft. Ich koche mir Drei-Gänge-Menüs und lese merkwürdige Bücher über Turpin im Rolandslied und Brünhild im Nibelungenlied.
    Benjamin ruft im Oktober mal an und klingt irgendwie komisch. Ich freue mich, rede und frage, wie es ihm geht und was er macht. Er unterbricht mich und sagt, er sei gestresst. Er rufe nur an, um zu fragen, ob ich das Wort Kannibalismus in meinem psychologischen Wörterbuch nachschlagen könne. Er braucht es für eine Arbeit in Soziologie, an der er gerade schreibt.
    Das ist unser letztes Gespräch, wir treffen uns viele Jahre nicht mehr. Durch Freunde erfahre ich, dass er als Experte bei der Schulverwaltung arbeitet. Er ist einfach eines Tages hingegangen und hat sich als Experte für Schülerdemokratie vorgestellt – er hat nämlich einmal ein Referat in Pädagogik über Schülerdemokratie geschrieben und fände es interessant, dort zu arbeiten.
    Ja, hier werde ich wieder bitterfotzig. Ich wünsche mir, ich wäre ein Mann und hätte solch ein aufgeblasenes Selbstwertgefühl und würde mich trauen, mich um so einen Job zu bewerben, ohne die entsprechenden Qualifikationen. Das klappt ja offensichtlich, denn er bekam den Job und eine Visitenkarte, auf der Experte steht.

[Menü]  
    THE REVOLUTION WILL NOT BE TELEVISED
    Ich wache sehr fröhlich auf, mit schmerzenden Beinen, aber erstaunlicherweise ohne Kopfschmerzen. Ich dusche lang und summe das Rasierklingenlied. Ich grinse vor mich hin, als ich an die Zungenbewegungen der Männer denke, aber dann fällt mir ein, dass ich an diesem Tag eine Wanderung in den Bergen gebucht habe. Ich beeile mich und frühstücke schnell.
    Vor dem Hotel warte ich zusammen mit einer finnischen Frau Anfang sechzig auf den Bus, der uns abholen soll. Wir sprechen ein wenig miteinander, es stellt sich heraus, dass sie aus Turku kommt und Schwedisch spricht. Ihr Mann kommt nicht mit, er ist gerade am Knie operiert worden.
    »Aha«, sage ich, »und was macht er heute?«
    Es war als Frage gemeint, einfach eine Frage, aber sie faucht, offenbar gereizt, zurück.
    »Keine Ahnung. Er muss sich schon um sich selbst kümmern!«
    Ya basta! Das ist der richtige Ton. Ich lache und sage, das sei prima. Da wird sie etwas sanfter, und gerade da kommt der Mann angehumpelt, um Auf Wiedersehen zu sagen oder so. Als ich ihn sehe, verstehe ich sofort, warum sie so gereizt ist. Er ist doppelt so alt wie sie und hat alzheimerleere, wässrige blaue Augen.
    »Tschüs, hab einen schönen Tag!«, sagt er und klopft ihr ungeschickt auf die Schultern.
    »Ja, du auch«, sagt die Turkufrau gereizt.
    Der Mann bleibt stehen und sieht aus, als warte er darauf, dass sie noch etwas sagt, einen gnädigen Blick, egal was. Aber die Turkufrau hat sich demonstrativ zu mir gewandt und beginnt, mich auszufragen. Warum bist du hier?
    Ich erzähle, dass ich versuche zu schreiben und eine Weile wegmusste, um allein zu sein.
    Was ich arbeite? Ich sage, ich sei Journalistin, und da hellt sich ihr Gesicht auf.
    »Oh, ich war auch einmal Journalistin. Aber dann kamen die Kinder, und es war nicht möglich, weiterhin flexibel zu sein. Also wurde ich Lehrerin. Aber ich habe meine Arbeit als Journalistin geliebt!«
    Die Turkufrau lächelt mich an, und wir sprechen über die Bedingungen als Freiberufler, die Unsicherheit und die schlechte Bezahlung.
    Dann kommt der Guide und der Bus, wir fahren auf Serpentinenstraßen bis hoch ins Gebirge. Dann wandern wir stundenlang auf schmalen Pfaden durch uralte Lorbeerwälder und mit unglaublichen Aussichten auf Gebirge und Meer.
    Die Turkufrau ist sehr zufrieden und wandert die ganze Zeit mit einem Lächeln auf den Lippen. Nach zwei Stunden machen wir an einer kleinen Bar mitten in der Wildnis Rast, wo der Bus auf uns wartet. Alle bestellen La Mumba, heiße Schokolade mit Kognak, und der Busfahrer, Diego, will mich einladen. Ich lasse ihn gewähren, er sieht fröhlich und nett aus, ist groß und dick. Eine ältere dänische Dame kommt zu uns, lobt meine Männermütze und nimmt die Gelegenheit wahr, sich zu beschweren, dass ausgerechnet in ihrer Schokolade so wenig Kognak ist. Im

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