Bittersüßes 7. Jahr
trotzdem nie deiner Schönheit gleichen.«
Sabine lächelte gequält. Sieh einmal an, dachte sie. So lieb und charmant kannst du zu anderen Frauen sprechen! In den letzten fünf Jahren hieß es immer: Ach, ich bin abgespannt und müde. Geh allein ins Kino. Laß mich in Ruhe! Was du nur immer hast mit deinem: Das Geschäft frißt dich auf. Ich arbeite ja, damit wir was zu essen haben! So hast du fünf Jahre lang auf meine Bitten geantwortet! Dann hattest du Magenschmerzen oder Fußschmerzen oder geschäftliche Besprechungen. Aber nie hast du mich so fest in den Arm genommen und getanzt. Seit vier Jahren nicht mehr! Du bist ja so gemein, Peter!
»Eine Zigeunerin kann zaubern«, sagte sie leise. »Auch ein Seeräuberherz kann sie verzaubern und stehlen! Du weißt doch: Zigeunerinnen stehlen.«
Peter Sacher atmete hastig. Wie sie rangeht, durchfuhr es ihn glühend. Als wenn sie die ganzen Jahre hindurch nur mit Männern gespielt hätte! Zu Hause hatte sie immer Migräne, wenn ich sie zu einem wichtigen Herrenabend mitnehmen wollte. Und wenn ich dann todmüde nach Hause kam, schimpfte sie noch und nannte mich einen rücksichtslosen Burschen.
»Tanzen wir!« schrie er, um seinen inneren Druck loszuwerden. »Da, ein Tango! Das ist der Tanz verliebter Seeräuber und stehlender Zigeunerinnen!«
Sie tanzten. Peter gab sich alle Mühe, diesen Tango durchzustehen. Er mochte keinen Tango. Aber er zählte innerlich alle Takte mit, rekapitulierte die Schritte und Figuren und brachte es fertig, Sabine fehlerfrei durch den Tanz zu bringen. Sie war aber auch eine herrliche Partnerin, federleicht, schwebend, sich im Takte wiegend, mit einem Siegeslächeln auf den Lippen. Einfach betörend.
Wie gut er tanzen kann, wütete Sabine dabei innerlich. Nie hat er einen Tango mit mir getanzt. Ich kann das nicht, hatte er immer gesagt. Gerade Tango! Da komme ich aus dem Rhythmus. Davon war keine Spur mehr, er tanzte wie ein Turniermeister. Er tanzte blendend. Dieser Wolf im Schafspelz!
Beide schwiegen während des Tangos. Ihre Gedanken fraßen die Worte auf. Erst am Ende des Tanzes sagte Sabine heiser:
»Du bist so ernst, Seeräuber.«
Peter zuckte aus seinen Gedanken hoch. Er lächelte gequält. »Vor soviel Schönheit in meinen Armen versagt die Stimme.«
Deshalb bist du zu Hause so einsilbig, was, dachte sie giftig. Vor soviel Schönheit! Oh, du Lump!
Sie legte den Kopf an seine Wange und hauchte ihm einen Kuß auf die Maske. So, dachte sie. Mal sehen, was er jetzt tut!
Peter Sacher erstarrte, als Sabine ihn küßte. Einen fremden Mann küßt sie einfach. Sie wirft sich ihm an den Hals, nach zehn Minuten Bekanntschaft. Wie mag das erst mit dem langen Genueser sein?! Wie kann eine Frau, meine Frau, so schamlos sein?!
Er umarmte sie stürmisch, drückte sie an sich und küßte sie wild, fast verzweifelt, auf die herrlichen Lippen. Sie sträubte sich nicht, sie trank den glühenden Kuß wie eine Ertrinkende, sie umklammerte seinen Rücken, drückte sich an ihn und war für wenige Sekunden glücklich. Bis die Erkenntnis kam: Er küßt ja eine Fremde! Er weiß ja nicht, daß ich … Da wurde sie steif und riß sich von ihm los.
»Noch nicht so wild«, sagte sie schweratmend. »Die Nacht ist noch lang!«
Peter Sacher glaubte zu verbrennen. Einen fremden Mann hat sie wiedergeküßt. Und wie sie küssen kann! Wie! Er meinte, sich nicht erinnern zu können, jemals so von Sabine umarmt worden zu sein. So wild, so völlig hingegeben, so hemmungslos, wie er es jetzt bösartig nannte.
Das koste ich aus, dachte er grimmig. Ich will sehen, wie weit sie gehen kann! Ich werde sie verführen. Und wenn sie in meinem Zimmer steht, werde ich mir die Maske herunterreißen und ihr entgegenschreien: So, ich bin es! Wir sind für immer auseinander, du, du … Er wagte nicht, das Wort zu denken, was er sagen wollte. Es war ein unschönes Wort, aber sie hatte es dann verdient!
»Du küßt wunderbar«, sagte er stockend.
»Mich haben schon viele geküßt«, antwortete sie.
So, dachte sie. Das saß, mein Lieber! Das ist ein Köder an meiner Angel. Wenn du mich jetzt verführen willst, bitte, tue es! Aber wenn ich dann in deinem Zimmer stehe, werde ich mir die Maske vom Gesicht reißen und sagen: Ich bin es! Deine eigene Frau hast du verführt. Aber für dich war ich ja eine Fremde! Du hast mich betrogen! Ich lasse mich scheiden! Endgültig! Sie war gewillt, es wirklich zu tun.
An ihnen vorbei tanzte ein Spanier. Er hatte ein hellblondes, üppiges,
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