Bittersüßes 7. Jahr
den Fäusten gegen die Wand und schrie dann gellend:
»Help! Help! Help!«
Das alles ging so sekundenschnell, daß Peter Sacher erst nach dem englischen Notruf begriff, wo er sich befand. Nämlich im falschen Zimmer.
»Beg your pardon!« sagte er schnell. »A good night to you!«
Dann rannte er aus dem Zimmer, schwang sich über den Balkon in die Tiefe, sprang in den Garten und hetzte durch die Dunkelheit davon. Hinter sich hörte er noch immer den Schrei des bärtigen Mannes: »Help! Help! Help!«
Als er aus dem Garten auf die Promenade rannte, gingen hinter ihm die Gartenleuchten an. Einige Kellner und Boys durchsuchten den Garten. Da sie nichts fanden, gaben sie die Suche bald auf. Der Hotelarzt gab dem Engländer ein Schlafmittel. »Sie haben sicherlich intensiv geträumt«, tröstete er den Alten. »Eingestiegen wird nur bei Damen mit Brillanten.«
Zwei Stunden wartete Peter Sacher. Dann schlich er in den Garten zurück.
Er umkreiste die Blocks und stand dann unter dem Balkon des rechten Flügels, der vierte von links. Sabine hatte seine Schritte gehört. Sie stand hinter der Gardine, in einem kurzen Shorti-Nachthemd, und hielt den Atem an. Der Lärm, der vor zwei Stunden durch das Hotel zog, hatte ihren gesamten Plan durchkreuzt. Typisch Peter, hatte sie halb wütend, halb wehmütig lächelnd gedacht. So war er immer. Er stellt sich an wie ein großer Junge. Wie ein Tolpatsch. Selbst seine Frau betrügen mißlingt ihm.
»Silberne Maske!« rief Peter Sacher leise. Er stand unmittelbar unter dem Balkon. Noch einmal hinaufzuklettern wagte er nicht. Wenn es wieder ein falsches Zimmer war.
Sabine schob die Gardine zur Seite und trat hinaus auf den Balkon. Sie sah Peter ein wenig kläglich auf dem Rasen stehen und zu ihr emporblicken.
»Mein Held«, sagte sie spöttisch.
Peter duckte sich, als sei er geschlagen worden.
»Du hast mir das falsche Zimmer gesagt. Wie glücklich bin ich, jetzt unter dem richtigen zu stehen. Ich komme sofort hinauf!«
»Nein!« Sabine hob die Hand. Sie hatte die silberne Maske wieder umgebunden. »Jetzt ist es zu spät. Feuer glüht nur eine Weile, bekommt es keine Nahrung, sinkt die Glut zusammen. Aus heißer Asche aber kommen keine Funken mehr.«
»Ich werde dich an meinem Feuer entzünden!«
Sabine schüttelte den Kopf. »Denk an deine Frau.«
»Verlange das nicht von mir!« sagte er gehässig. »Wenn ich wieder in Düsseldorf bin, wird sie wieder unter der Stehlampe sitzen und stricken. Pullover, die nie fertig werden. Es macht mich rasend. Wie ein Aschenputtel läuft sie im Hause herum, mit Wicklern in den Haaren, im Bademantel, in Pantoffeln. Dabei ist sie schön, sehr schön! Aber sie achtet nicht mehr darauf. Wenn sie so wäre wie du, so frei, so lustig, so voller Glut. Aber nein, wenn ich ins Theater will (selten genug ist das, dachte Sabine), muß das erst wochenlang vorher besprochen werden. Wenn ich verreisen will mit ihr, muß es genau geplant werden. Nie geht es schnell, sofort, nie kann sie improvisieren. Sie ist eben langweilig! Das bringt mich um!«
Sabine umklammerte das eiserne Balkongeländer. Ihre Knöchel waren weiß, so sehr preßte sie die Hände gegen den Stein. So also sieht er mich, durchfuhr es sie. So soll ich sein? Aber ist er anders? Ist er so, wie er sich hier gibt, einer fremden Frau gegenüber? O nein, nein!
»So sind alle Eheleute«, sagte sie stockend. »Mein Mann ist nicht anders. Immer liegt er abends auf der Couch, mit schmutzigen Schuhen auf dem schönen Bezug. Er liegt da stundenlang und liest, die Zeitung, ein Buch, einen Kalender, einen Prospekt, das Telefonbuch. Und wenn alles weg ist, liest er die Aufschrift seiner Whiskyflasche, nur um etwas zu lesen. Es gibt für ihn nichts anderes als lesen. Und dazu raucht er. Zigarren, Zigaretten, Zigarillos. Nur priemen, das fehlt noch! Und er schweigt. Bis wir zu Bett gehen. Da sagt er: ›Schlaf gut!‹ gähnt ausgiebig und wälzt sich in sein Bett. Drei Minuten später schnarcht er. Und so geht es Tag um Tag. Ich kann es einfach nicht mehr aushalten, dieses Nebeneinanderherleben! Und darum sollte ich dich lieben, Seeräuber! Du bist so, wie ich mir einen Mann wünsche! Frech, charmant, erobernd, fröhlich und temperamentvoll! Du bist ein Mann, keine lesende Mumie!«
»Dann laß mich hinauf!« schrie Peter. So sieht sie mich, dachte er bitter. Das also soll ich sein? Benehme ich mich so unmöglich? Er griff in das Rankenwerk des wilden Weines, aber Sabine winkte ab.
»Ich lasse dich
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