Bittersweet Moon 2
ein Küsschen von mir! Ich umarme dich,
Diana
Ich
lese die lange Nachricht nochmal durch und bevor ich die Taste betätige und sie
absende, überlege ich es mir anders. Lieber archiviere ich die E-Mail. Ich kann
diese Nachricht unmöglich an Mia abschicken. Wenn ich ihr Robins Identität
verschweige, würde sie beleidigt und gekränkt sein und sie wird mit ihren
neugierigen Fragen keine Ruhe geben. Wenn ich ihr aber verrate, wer er ist,
missbrauche ich Robins Vertrauen. Er erwartet weiter meine Diskretion und
Loyalität, er hat ja Kinder, die er nicht verletzen will … Ich seufze
verzweifelt und schreibe Mia erneut eine Nachricht, diesmal nur einige kurze
Sätze. Mit knappen Worten erkläre ich ihr, dass ich für einige Tage ungeplant
wegfahre und ich mich melde, wenn ich wieder zu Hause bin. Das sollte fürs
Erste reichen. Doch ich bleibe am Computer sitzen. Meine innere Stimme sagt mir
ganz klar, was ich zu tun habe … Wie von alleine öffne ich die Datei mit meinem
unvollendeten Buch und beginne zu schreiben. Fieberhaft, ohne viel überlegen zu
müssen, fasse ich unsere Begegnung heute Abend in Worte. Tränen der
Erleichterung, der Erlösung und der Wehmut kullern mir über die Wangen, als ich
unser bewegendes Wiedersehen beschreibe. Ich höre noch mal Robins sinnliche
Stimme, die „unseren“ Song für mich singt. Ich spüre seine warme Hand, die nach
meiner greift und sie ganz fest hält. Ich tauche in die Tiefe seiner klaren
blauen Augen, die so gut meine aufgewühlten Gefühle lesen können. Ich sehe
Robins Gemälde, das meine Gesichtszüge trägt. Ich fühle seine herzliche
Begrüßung, die sonderbare, innige Vertrautheit zwischen uns, die im Laufe der
Zeit nicht bloß ein verblasstes, schwarz-weiß Foto aus dem Erinnerungsalbum
geworden ist. Ich empfinde unseren Abschiedskuss, der Bände spricht, nach. Ich
bin überwältigt von seiner überraschenden Einladung und zerrissen zwischen
meinen ängstlichen Bedenken und dem eindeutigen Bauchgefühl. Ich schreibe wie
in Trance und bin fertig, als die nächtliche kühle Luft vom Balkon zu mir
vordringt. Glücklich und zutiefst zufrieden speichere ich den Text und schalte
den Computer aus. Ich kann es noch nicht richtig fassen - mein allererstes Buch
ist nun vollständig fertig! Als ich im Winter angefangen habe zu schreiben,
hätte ich nicht erwartet es auch zu Ende zu bringen. Ich hatte befürchtet, die
Disziplin dafür würde mir fehlen, oder ich würde bald eine Schreibblockade
kriegen und die Idee aufgeben. Doch ich habe geschrieben wie eine Besessene,
die Geschichte ist nur so aus mir rausgeflossen. Wahrscheinlich, weil sie
schon so lange in mir gereift ist ... Ich habe nie die Ambition gehabt, das
Buch zu veröffentlichen, oder es überhaupt jemandem zum Lesen weiter zu
reichen, aber trotzdem habe ich sorgsam alle verräterischen Details, Namen und
Umstände verändert und verschleiert. Wer weiß, wozu das noch gut sein wird.
Ich
habe keine Zeit, mich weiter mit dem Buch zu beschäftigen. Hauptsache, ich
fühle mich äußerst wohl mit meinem vollendeten Werk. Mein Nacken und die
Schultern schmerzen und ich versuche mit einigen Streckübungen die verspannten
Muskeln aufzulockern. Erst danach fange ich an zu packen, die kurze Sommernacht
ist schließlich schon fast vorbei.
Während
ich den Koffer fülle, denke ich nicht viel nach. Erst als ich die Schublade der
Wäschekommode schließe und mein Blick auf den Familienfotos, die darauf stehen,
verweilt, setze ich mich kurz hin. Das große Foto in der Mitte weckt plötzlich
Erinnerungen in mir, die unter der Oberfläche immer noch schmerzen. In nehme es
in die Hand und streichle liebevoll darüber. Zu dritt lächeln wir unbeschwert
in die Kamera - ich, mein Mann Nick und unsere Tochter Lucy. Das Bilderbuch
einer scheinbar glücklichen Familie ... Das Foto ist vor einem Jahr auf Menorca
entstanden, während unserer letzten gemeinsamen Reise. Im Winter haben wir uns
dann endgültig getrennt. Seit fast sechs Monaten leben Nick und ich jetzt
getrennt voneinander. Er ist ausgezogen und hat sich eine Wohnung besorgt, als
die Stille zwischen uns nicht länger auszuhalten war. Die Trennung hat ohne
Krach, Vorwürfe und Anfeindungen stattgefunden. Nachdem die Entscheidung
gefallen ist, haben wir uns umarmt und eine Weile nur still geweint.
Lucy
lebt seitdem an den Wochenenden bei Nick und unter der Woche bei mir. Zurzeit
befinden sich die beiden in den Ferien auf einer kroatischen Insel und ich
erwarte sie
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