Bittersweet Moon
normaler Mann, ein Sterblicher wie alle anderen.
Aber das
wäre nicht das Schlimmste - was ich am meisten befürchtete, war die
Konfrontation mit all seinen glühendsten Verehrerinnen, die in den vordersten Reihen
nach ihm lechzten, nach ihm schrien und ihm Unterwäsche auf die Bühne warfen.
In meiner Traumwelt gehörte Robin nur mir. Ich musste ihn mit keiner anderen teilen,
nicht einmal mit seiner Ehefrau. Wenn ich aber zu seinem Konzert gehen würde, wäre ich
nur eine von vielen gewesen, die sich nach ihm verzehren und ihn heiß begehren, die
auf ihre T-Shirts oder ihre Dekolletes dreist "Robin fuck me!" schreiben und
die alles für eine Nacht mit ihm geben würden. Schon den Gedanken daran konnte
ich nicht ertragen und so beschloss ich am Ende, doch kein Ticket zu kaufen. An dem Tag,
als sie in die Stadt kamen, weinte ich trostlos, als ich anfing meine Entscheidung zu
bereuen. Es trennten mich nur wenige Kilometer von ihm, aber er war noch nie so weit
entfernt von mir wie damals. Endlich verstand ich, dass ich erwachsen werden
musste. Diese kindische Schwärmerei für ihn tat mir nur weh und sie war
lächerlich. Langsam wurde ich sauer und wütend auf mich, weil ich mich so dumm
verhalten habe. Wenn ich ein Ticket hätte, und in der Konzerthalle wäre, würde
ich einen unvergesslichen Abend genießen können - ich würde abrocken und eine
tolle Band live erleben, ich hätte Spaß, ich wäre high und benommen von
der elektrisierenden Stimmung, die in dem Raum herrschte und ich wäre glücklich.
Vielleicht würde ich einen interessanten jungen Mann kennenlernen, der
mich freundlicherweise auf seine Schultern nehmen würde und mit dem ich Bier
und später wahrscheinlich noch das Bett teilen würde. Mit etwas Glück könnte
ich nach dem Konzert vor dem Tourbus sogar Robin erblicken und vielleicht ein
Foto und einige Worte von ihm bekommen. Stattdessen lag ich aber alleine und ganz
depressiv unter meiner Bettdecke und weinte hilflos aus Frust, weil ich mich wie
ein unreifes Schulmädchen benahm und einem Hirngespinst nachgelaufen war. Statt zu leben,
träumte ich lieber. Ich war eine erwachsene Frau, aber mein Verhalten war das
einer Vierzehnjährigen. So verpasste ich die Chance, Robin live zu erleben und
das konnte ich mir lange nicht verzeihen.
An
diesem Abend schloss ich das Kapitel "Robin" ab. Er blieb für mich
"The sexiest man alive" und ich mochte seine Musik immer noch, aber
ich hörte auf, ihn anzuhimmeln und mich nach ihm zu verzehren. Ich war Anfang
Zwanzig und endlich erwachsen.
Einige
Monate später verliebte ich mich in einen Pianisten aus meiner Hochschule mit
dem ich schon öfter musiziert hatte und wir wurden ein Paar. Robin jedoch blieb mein
gut gehütetes Geheimnis, von dem ich niemandem erzählte. Was aber nicht heißt,
dass ich ihm gegenüber gleichgültig wurde. Immer, wenn ich ihn in einer Musiksendung
erblickte oder zufällig einen Artikel über seine Band in einer Zeitschrift
entdeckte, schlug mein Herz aufgeregt höher und ich wusste, dass im Verborgenen meine
einstige Leidenschaft für ihn immer noch glomm. Auch bescherte mir Robin hin und wieder so
manchen heißen Traum, aber ich war nicht mehr wie verrückt nach ihm. Zunehmend
wurde er nur noch ein schöner, unvergesslicher Teil meiner Vergangenheit und
Gedanken an ihn regten mich nicht mehr auf. Bis zu jenem schicksalhaften
Abend...
Die
Begegnung
Mein
Studium näherte sich seinem Ende. Ich steckte tief in den Proben für die
Hochschulaufführung der La Boheme wo ich die Mimi sang, meine
erste Hauptrolle auf der Opernbühne. Wir hatten Anfang Dezember und die
Premiere sollte am letzten Samstag vor Weihnachten stattfinden. Die Rolle hatte
ich schon längst drauf, so dass ich ruhig und sicher auf die Endphase wartete
und die aufsteigende Vorfreude genoss, die noch nicht von Nervosität und
Leistungsdruck getrübt wurde. Seit fast zwei Jahren jobbte ich neben meinem
Studium in einem kleineren Hotel als Barpianistin und Sängerin. Das war ein
angenehmer, gut bezahlter Job. Freitags und Samstags saß ich ab zehn Uhr abends
am Klavier und sang ein, zwei Stunden lang Evergreens, Musicals und Popsongs.
Ich machte Pausen wann und wie lange ich wollte, bekam reichlich Trinkgeld und
erleichterte mir damit mein Leben als Studentin. Zu dem Job kam ich durch Tom,
dem Barkeeper im Hotel. Tom war der Bruder meiner Kommilitonin Susan, mit der
ich mir am Anfang meines Studiums die Wohnung teilte. Sie selber war
Weitere Kostenlose Bücher