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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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    »Und nun zum Wetter!« fuhr der Rundfunksprecher fort. »Deutschland befindet sich seit Tagen unter dem Einfluß eines ausgedehnten Hochs, das von Nordskandinavien bis Süditalien reicht. Die Wetteraussichten für heute, den 20. Mai: Bei anhaltender Hochdrucklage schwache südöstliche Winde. Heiter bis wolkenlos. Sich auflösende Hochnebelfelder; in den Tälern vereinzelt Nebelgefahr … Wir schalten jetzt zurück zu den Eröffnungsfeierlichkeiten für den neuen Großflughafen ›Otto Lilienthal‹.«
    Knistern. Pfeifen. Rückkopplungssummtöne.
    Der Mann vor dem Kofferradio schob das Gerät weit von der ›Intercom‹ -Haussprechanlage fort. Der Empfang wurde klarer.
    Der Reporter des Hessischen Rundfunks blendete sich ein:
    »Und jetzt erklingt jene Eröffnungsmelodie, die wir seit Wochen aus den Hitparaden kennen! Aber zum erstenmal werden wir sie in der Originalfassung hören: Hier und jetzt und life und dargeboten von dem, der sie komponiert und arrangiert hat – für diese festliche Stunde: Paul Kuhn, ›Stratosphärenruf!‹«
    Pause. Die Melodie erklang nicht.
    Mit geübter, sozusagen kummergewohnter Hand schlug der Mann gegen das Koffergerät. Anstelle der feierlichen Eröffnungstrompeten knackte der Lautsprecher für interne ›Intercom‹ -Durchsagen.
    »Hör mal, Niko«, sagte eine ganz und gar nicht festliche Stimme, »die ›Steppenadler‹ steht jetzt bereit. Du kannst sie aufrüsten!«
    »Okay!« sagte der Mann mit müder Stimme und schlug wieder gegen das Kofferradio.
    Ein paar Takte in optimistischem D-Dur erklangen.
    Trompetensatz, untermalende Saxophongruppe, dann Stille.
    Der Mann ließ die Sprechtaste los; der linke Mittelfinger, mit dem er auf ›Intercom‹ gedrückt hatte, zeigte eine tiefe Narbe am Fingeransatz. Der Raum, in dem er saß, hatte unverputzte Wände. Ein Hintergrund, wie er den Betrachtern des ›ZDF-Heute‹ aus den Jahren 73/74 vertraut war. Neben dem Lautsprecher für interne ›Intercom‹- Durchsagen hatte man, ebenfalls unverputzt, einen verglasten Durchbruch geschaffen. Ausblick: die Werft der ›Avitour‹, der zweitgrößten Fluggesellschaft der Bundesrepublik. Hier wurden die Kurz-, Mittel- und Langstreckenflugzeuge der Fluggesellschaft überholt. Aus einer DC-9, die gerade von Teneriffa zurückgekehrt war, hingen die Kabelbündel wie Eingeweide aus einer Schwerverletzten. Acetylenbrenner flammten auf. Eine Boeing 727 wurde aufgebockt. Erregte Diskussionen, Gebärden, stumm durch die Glasscheibe.
    Daneben stand der nachgebaute Rumpf eines Mittelstreckenflugzeuges, das sogenannte Mockup. Hieran übten die Besatzungen die Notevakuierung: Verlassen des Flugzeuges über die Notrutschen, über die Tragfläche, an Halteseilen aus dem Cockpit. Wöchentlich dreimal fanden sich hier vor dem Mockup -Modell die Crews in Trainingsanzügen zur Emergency -Ausbildung ein.
    Davor hatte Niko alles gestapelt, was er zur planmäßigen Streckenausrüstung des größten und modernsten ›Avitour‹- Flugzeuges brauchte: Schwimmwesten, Lungenatemgeräte, Feuerlöscher, Notsender für die ›Steppenadler‹, den Langstrecken-Jumbo vom Typ Douglas DC-10. In rund zweieinhalb Stunden würde sie auf Strecke gehen, nach den Bermudas.
    Mit gezieltem Handschlag erweckte er sein Koffergerät zu neuem Leben.
    »… stolz, dabeizusein!« sagte der Reporter vor dem Hintergrund der abgeblendeten Kuhn-Bigband. »Mehr als fünfzigtausend Luftfahrt-, nein, Deutschland-Begeisterte sind gekommen, der Eröffnung des größten deutschen internationalen Großflughafens beizuwohnen! Und während Kuhn mit seinen Mannen und seinen Klängen Brücken schlägt zu allen Völkern, die diesen Lufthafen der Superlative anfliegen werden, während unser Herr Bundespräsident, unsere Minister sich zur Eröffnungsrede anschicken, werden still und kaum bemerkt von den Massen die Vorbereitungen getroffen für die ersten Starts von diesem neuen …«
    Wieder erstarb die Stimme.
    »Scheiße!« sagte Niko, obwohl er Grieche war, in einwandfreiem Deutsch. Er hatte sich seine Sporen jahrelang in Athen verdient – im Stadtbüro der ›Avitour‹.
    Hinter der Scheibe, die Ausblick auf die Werft bot, bewegte sich die Hallentür. Blauer Himmel wurde sichtbar, darunter Bodennebel. Inmitten des Nebels, wie eine übersinnliche Erscheinung in einem Hollywood-Film, tauchte die bereitgestellte ›Steppenadler‹ auf; das Mitteltriebwerk am Seitenleitwerk riesig aus den treibenden Fetzen ragend, darüber das rosarote Emblem der

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