Bittersweet Moon
Glück meldete sich sein Anrufbeantworter. Klar, so früh am
Sonntag schlief er noch. Das kam mir sehr entgegen, ich musste nicht persönlich
mit ihm reden und ihn wieder anlügen. "Hi Tommy, Diana hier. Ich wollte
dir nur sagen, dass gestern das Konzert mega geil war. Ich habe mich leider
erkältet und werde heute den Tag im Bett verbringen und schweigen, um schnell
wieder fit zu werden. Morgen habe ich den ganzen Tag Proben, also werden wir
uns vor Dienstag nicht hören oder sehen. Ruf mich nicht an, ich muss meine
Klappe halten, wegen der Stimme. Mach's gut, Tschaui!" Schnell legte ich
auf, falls er doch noch aufwachen würde. Es war erheblich leichter den
Anrufbeantworter anzulügen... Und jetzt Packen ! Im Schlafzimmer holte
ich aus dem Kleiderschrank meine kleine schwarze Reisetasche im Mary Poppins
Stil. Aus der Wäschekommode suchte ich zwei Sets Unterwäsche aus, einmal weiß,
einmal schwarz und ein weißes, hauchdünnes BH-Hemdchen aus durchsichtiger
Spitze, das vorne einen durchgehenden Häkchenverschluss hatte. Dieses Hemdchen,
dass einerseits romantisch, aber auch sehr sexy wirkte, mochte ich sehr. Ich
habe es nur einige Male getragen, aber nie im Bett mit Max, fiel mir plötzlich
ein. Umso besser. Mehr Unterwäsche brauchte ich für so kurze Zeit nicht. Noch
Strümpfe, einmal hautfarben und einmal in schwarz, beide Paare halterlos und
mit schöner Spitzenborte. Ein wenig kalt für den Winter, aber Strumpfhose wären
einfach zu unerotisch. Während ich die Sachen in meine Tasche packte, überfiel
mich plötzlich wie eine kalte Brause das abkühlende Gefühl der Vernunft. Was
tue ich überhaupt ? Wäre es nicht besser, ich komme nicht mit, ich gebe
mich zufrieden mit dieser wunderbaren Liebesnacht und beende die Geschichte
jetzt, wo sie am schönsten ist? Wer gibt mir das Recht mit einem Mann zu
schlafen, der einer anderen gehört? Ernüchtert von dem unerwarteten
Anfluten meiner Gewissensbisse, setzte ich mich auf das Bett, das noch nach
unserer Liebe duftete und umarmte das Kopfkissen, auf dem in der vergangenen
Nacht Robins Kopf geruht hatte. Wenn ich hier bleibe, wird der unvermeidliche
Abschied uns beiden verschont bleiben, es wird weniger schmerzhaft ihn gehen zu
lassen… Aber dann verpasse ich auch einen weiteren Tag und eine weitere Nacht
mit ihm ! Gott weiß, wie glücklich und lebendig ich mich in seiner Nähe
fühle ! Und ich bin süchtig nach mehr !
Ich
fühlte mich schrecklich entzweit, fast verzweifelt. Es war von Anfang an nicht
vernünftig und korrekt gewesen, mich mit ihm auf eine Affäre einzulassen, ich
schaltete den Verstand völlig aus und er tat es genau so. Nur so war es uns möglich
gewesen, die Nacht gemeinsam zu verbringen und sie so zu genießen, wie wir es
getan hatten. Als ich in der Bar für ihn sang, hörte ich das Schicksal kommen,
ich machte ihm die Tür auf und machte den ersten Schritt ins Ungewisse. Warum
bin ich plötzlich wankelmütig? Denke ich etwa, ich werde ihn weniger vermissen,
wenn ich ihn jetzt schon aufgebe und nicht erst morgen? Hoffe ich, mein
Schmerz wird erträglicher, wenn ich ihn nicht noch mal sehe? Werde ich
in meinen Augen ein besserer, moralischer Mensch sein, wenn ich einer weiteren
Nacht mit ihm entsage? Ich quälte mich mit diesen Fragen und wusste nicht,
wie ich handeln sollte, ich fühlte mich hin und her gerissen zwischen meinen
Gefühlen und der Vernunft. Zusammengekauert lag ich auf dem Bett und suchte
verzweifelt nach einem Ausweg aus meinem Dilemma. Ich frage die Tarotkarten ,
fiel mir schließlich ein. Ich benutzte sie immer, wenn ich nicht sicher war,
was meine innere Stimme mir zu sagen hatte. Ermutigt sprang ich aus dem Bett
und eilte zu meinem Altar, wo ich die Karten in der unteren Schublade
aufbewahrte. Erst zündete ich eine Kerze an und dann griff ich nach den Karten.
Mit leicht zitternden Händen holte ich sie aus dem violetten Samtsäckchen und
mischte sie gründlich. Um mich zu sammeln, betete ich kurz zu der Göttin, sie
möge mir helfen die richtige Antwort zu finden. Anschließend wählte ich mit
geschlossenen Augen fünf Karten. Spontan entschied ich mich für dieses
überschaubare und unkomplizierte System. Die ausgewählten Karten breitete ich auf
dem Couchtisch aus und atmete tief durch. Vor mir lagen bedeutungsvoll As der
Kelche, König der Kelche, der Tod, die Liebenden und Acht der Stäbe. As der
Kelche als die absolute Glückskarte entlockte mir einen Seufzer der
Erleichterung. Eine bessere Karte für mein Vorhaben
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