Black Box: Thriller (German Edition)
Dann tastete er nach seinem Handgelenk, öffnete den Verschluss des Uhrarmbands und klappte, während er mit der linken Hand die Uhr hielt, die Schnalle so weit zurück, dass der Dorn senkrecht in die Höhe stand. Er verdrehte sein Handgelenk so, dass er den kleinen Stahldorn in das Schlüsselloch der rechten Handschelle stecken konnte.
Bosch versuchte sich den Vorgang bildlich vorzustellen, während er sich damit abmühte. Ein Handschellenschloss gehört zu den Schlössern, die am leichtesten zu knacken sind, vorausgesetzt, man versucht es nicht im Dunkeln und mit den Händen hinter dem Rücken. Im Prinzip ist der Schlüssel lediglich ein einkerbiger Stift, der überall passt, weil im Polizeidienst Handschellen häufig mit dem Gefangenen von Polizist zu Polizist oder von Sitzgelegenheit zu Sitzgelegenheit wandern. Wäre für jedes Paar Handschellen ein individueller Schlüssel nötig, würde ein ohnehin schon zeitraubendes System noch umständlicher. Darauf zählte Bosch, als er sich mit dem Dorn der Armbandschnalle an seiner Handschelle zu schaffen machte. Er war sehr geschickt im Umgang mit den Picks, die er in dem Etui hinter seiner Dienstmarke versteckt hatte, doch das hatte Drummond ihm abgenommen. Die eigentliche Herausforderung jetzt war, den Dorn einer Verschlussschnalle in einen Pick umzufunktionieren.
Er brauchte nicht einmal eine Minute, um die Handschelle aufzubekommen. Er zog die Arme nach vorn und entfernte die zweite Handschelle noch schneller. Er war frei. Er stand auf und ging sofort in Richtung Scheunentor los, stolperte aber prompt über Banks’ Leiche und landete mit dem Gesicht voran in der Strohstreu. Er stand wieder auf, orientierte sich und versuchte es erneut. Diesmal streckte er beim Gehen die Arme geradeaus nach vorn. Als er das Tor erreichte, fasste er nach links und tastete mit beiden Händen nach dem Lichtschalter.
Endlich wurde es in der Scheune hell. Rasch wandte sich Bosch wieder den beiden Torflügeln zu. Er hatte gehört, wie Drummond draußen den Riegel vorgeschoben hatte. Trotzdem versuchte er das Tor aufzubekommen und drückte mit aller Kraft dagegen. Vergeblich. Er versuchte es zwei weitere Male. Mit dem gleichen Ergebnis.
Er machte ein paar Schritte zurück und blickte sich um. Er hatte keine Ahnung, ob Drummond und Cosgrove in einer Minute oder einem Tag zurückkommen würden, aber er durfte keine Zeit verlieren. Er ging um den Toten herum in den dunkleren Bereich der Scheune. In der Rückwand befand sich ein weiteres zweiflügeliges Tor, das jedoch ebenfalls abgeschlossen war. Er drehte sich im Kreis und blickte sich nach anderen Türen oder Fenstern um, sah aber keine. Er begann, laut zu fluchen.
Aber er hatte sich rasch wieder im Griff und dachte nach. Er versuchte sich zu erinnern, wie die Scheune im Scheinwerferlicht des Autos von außen ausgesehen hatte. Sie hatte die Form eines Nurdachhauses, und ihm fiel ein, dass unter dem Dachfirst eine Tür zum Be- und Entladen des Heubodens war.
Rasch ging Bosch zu einer Holzleiter, die an einer der Hauptstützen befestigt war, und kletterte nach oben. Auf dem Heuboden türmten sich noch immer die Ballen, die dort bei der Stilllegung der Scheune zurückgelassen worden waren. Bosch ging an ihnen vorbei zu der kleinen zweiflügeligen Tür. Auch sie war abgeschlossen, aber von innen.
Es war ein simpler Klappriegel mit einem massiven Vorhängeschloss. Mit den Picks hätte Bosch das Schloss problemlos aufbekommen. Mit dem Schnallendorn käme er hier nicht weit. Wieder war ihm der Fluchtweg versperrt.
Er beugte sich vor, um den Riegel, so gut es in dem schwachen Licht ging, zu untersuchen. Er überlegte, ob er die Tür auftreten sollte, aber das Holz machte einen stabilen Eindruck, und der Riegel war mit acht Schrauben befestigt. Sie aufzubrechen war das lauteste und letzte Mittel seiner Wahl.
Bevor er wieder nach unten kletterte, schaute er sich auf dem Heuboden nach einem Gegenstand um, den er für seine Flucht oder zu seiner Verteidigung verwenden konnte. Ein Werkzeug, um den Riegel abzustemmen, oder ein massives Stück Holz, das ihm als Knüppel dienen konnte. Was er fand, war möglicherweise noch besser. Hinter einer Reihe sich auflösender Heuballen war eine rostige Heugabel.
Vorsichtig warf Bosch die Heugabel so nach unten, dass sie nicht auf Banks’ Leiche landete, und kletterte die Leiter hinunter. Dann hielt er mit der Heugabel in der Hand erneut nach einer Möglichkeit Ausschau, aus der Scheune zu kommen. Als er
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