Black Box: Thriller (German Edition)
selbst überlassen. Und bei vielen dieser Gelegenheiten hatte er Angst gehabt und gewusst, dass er dem Tod nahe war. Aber zugleich wusste er, dass er, wenn er wartete, irgendwann feststellen würde, dass es an allen finsteren Orten ein verirrtes Licht gab und dass es ihn retten würde, wenn er es fand.
Er musste vor allem versuchen, sich darüber klarzuwerden, was gerade passiert war und warum. Eigentlich hätte er nicht mehr am Leben sein dürfen. Alle seine Theorien liefen darauf hinaus, dass er in einer Kiste endete. Dass ihm Drummond mit derselben Kaltschnäuzigkeit, mit der er Reggie Banks erschossen hatte, eine Kugel durch den Kopf jagte. Drummond war der Mann fürs Grobe, der Ausputzer, und Bosch war Teil der Sauerei. Dass er verschont wurde, und sei es auch nur vorläufig, ergab keinen Sinn. Aber wenn er überleben wollte, musste er zu verstehen versuchen, warum das so war.
Der erste Schritt war, sich zu befreien. Er stellte alle den Fall betreffenden Fragen hintan und konzentrierte sich ganz auf seine Flucht. Um sich von seiner Umgebung und seinen Möglichkeiten einen besseren Eindruck verschaffen zu können, zog er die Füße unter seinen Körper und schob sich langsam hoch, bis er wieder aufrecht stand.
Den Anfang machte er mit dem Stützpfeiler. Der etwa fünfzehn Zentimeter dicke Holzbalken ließ sich weder erschüttern noch verrücken, wenn er mit dem Rücken dagegen schlug. Das Einzige, was er damit erreichte, war, dass er sich selbst weh tat. Da sich der Balken nicht von der Stelle bewegen ließ, musste er ihn bei allen weiteren Erwägungen als feste Größe einkalkulieren.
Als er in das Dunkel hinaufspähte, konnte er gerade noch die Umrisse der Querbalken erkennen. Bevor das Licht ausgegangen war, hatte er gesehen, dass es keine Möglichkeit gab, ganz nach oben zu kommen, keine Möglichkeit, dort hinaufzuklettern und sich zu befreien.
Er blickte an sich hinab, aber seine Füße blieben im Dunkeln verborgen. Er wusste, dass der heubedeckte Boden aus gestampfter Erde war, und er begann, mit der Ferse gegen das untere Ende des Balkens zu treten. Der Stützpfeiler fühlte sich an, als wäre er fest im Boden verankert, wie genau, konnte Bosch jedoch nicht erkennen.
Er wusste, er hatte nur eine Wahl. Entweder er wartete, bis Drummond zurückkam, oder er versuchte zu entkommen. Er rief sich das Bild seiner Tochter, das er kurz zuvor heraufbeschworen hatte, wieder vor Augen und beschloss, nicht klein beizugeben. Er würde bis zum letzten Atemzug kämpfen. Nachdem er mit den Füßen das Stroh beiseitegefegt hatte, begann er, mit dem Absatz auf die gestampfte Erde einzutreten und sie an der Oberfläche langsam abzutragen.
In dem Bewusstsein, dass das seine letzte verzweifelte Chance war, rammte er wie wild seine Hacken in den Boden, fast so, als kämpfte er gegen alles an, was ihn jemals eingeschränkt hatte. Rasch begannen seine Fersen unerträglich zu schmerzen, und seine Handgelenke wurden so fest in die Handschellen gezogen, dass seine Finger taub wurden. Aber es war ihm egal. Er wollte gegen alles treten, was ihn im Leben jemals behindert hatte.
Seine Anstrengungen waren vergeblich. Irgendwann stieß er auf das, was er für das Betonfundament der Stütze hielt. Der Balken war fest darin verankert und ließ sich ebenso wenig von der Stelle bewegen wie er selbst. Schließlich gab Bosch auf und ließ sich mit hängendem Kopf nach vorn sinken. Er war erschöpft und nahe daran, zu resignieren.
Er fand sich damit ab, dass seine einzige Gelegenheit, sich zu befreien, käme, wenn Drummond zurückkehrte. Falls ihm etwas einfiel, wie er Drummond dazu bringen konnte, ihn loszuketten, hatte er vielleicht noch eine Chance. Vielleicht konnte er ihm die Pistole entreißen oder einfach weglaufen. Auf jeden Fall war es seine einzige Chance.
Aber was konnte er vorbringen, was konnte er sagen, um Drummond dazu zu bewegen, auf seinen einzigen strategischen Vorteil zu verzichten? Bosch straffte die Schultern und drückte sich mit dem Rücken an den Balken. Seine Konzentration durfte nicht nachlassen. Er musste auf alles vorbereitet sein. Er begann zu rekapitulieren, was ihm Banks in seinem Motelzimmer erzählt hatte, und suchte nach einem Element seiner Geschichte, das er sich zunutze machen konnte. Er brauchte etwas, womit er Drummond drohen konnte, ein verstecktes Risiko, irgendetwas, was nur er, Bosch, ihm verraten konnte.
Er war nach wie vor der Überzeugung, dass er die E-Mail, die er Chu geschickt hatte,
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