Black Box: Thriller (German Edition)
Augen. Er versuchte, ein Bild seiner Tochter heraufzubeschwören.
Es war von einem guten Tag, einem Sonntag. Er hatte ihr auf dem leeren Parkplatz einer nahen Highschool das Autofahren beigebracht. Zunächst war es eine ziemlich ruckelige Angelegenheit gewesen, und sie war immer viel zu fest auf die Bremse gestiegen. Aber am Ende hatte sie das Auto besser im Griff als die meisten Fahrer, denen Bosch auf den Straßen von L.A. begegnet war.
Er war stolz auf sie, und was noch wichtiger war, sie war stolz auf sich.
Als sie am Ende der Fahrstunde wieder die Plätze tauschten und Bosch nach Hause fuhr, erzählte sie ihm, dass sie Polizistin werden und in seine Fußstapfen treten wolle. Diese Ankündigung war aus heiterem Himmel gekommen, etwas, was ihrer Nähe an diesem Tag entsprungen war.
Als Bosch jetzt daran dachte, spürte er eine tiefe Ruhe über sich kommen. Es war seine letzte Erinnerung, das, was er in seine Black Box mitnehmen würde.
»Dass Sie mir schön hier bleiben, Detective. Ich brauche Sie später noch.«
Drummond klang geradezu freundlich. Bosch öffnete die Augen und blickte zu ihm auf. Der Sheriff nickte und entfernte sich in Richtung Tor. Bosch sah, wie er die Pistole, die er Banks gegeben hatte, in seinen rückwärtigen Hosenbund schob. Die Beiläufigkeit, mit der er Banks erschossen hatte, und die unübersehbare Übung, mit der er die Pistole einsteckte, führten Bosch schlagartig etwas vor Augen. So kaltblütig brachte niemand einen Menschen um, wenn er es nicht vorher schon einmal getan hatte. Und 1992 hatte nur einer der fünf Verschwörer einen Job gehabt, in dem sich eine Wegwerfwaffe – eine Pistole ohne Seriennummer – als nützlich erweisen konnte. Für Drummond war die Beretta kein Desert-Storm-Souvenir gewesen, sondern ein Gebrauchsgegenstand. Deshalb hatte er sie damals nach L.A. mitgenommen.
»Sie waren es«, sagte Bosch.
Drummond blieb stehen und schaute zu ihm zurück.
»Haben Sie was gesagt?«
Bosch sah ihn an.
»Ich habe gesagt, ich weiß, dass Sie es waren. Nicht Cosgrove. Sie haben sie erschossen.«
Drummond ging wieder auf Bosch zu. Sein Blick glitt über die dunklen Ränder der Scheune, dann zuckte er mit den Achseln. Er wusste, dass er alle Trümpfe in der Hand hatte. Er redete mit einem Toten, und Tote erzählten keine Geschichten.
»Tja«, sagte er. »Sie wurde ein bisschen lästig.«
Er grinste. Es schien ihm Genugtuung zu bereiten, Bosch nach zwanzig Jahren von seiner Tat zu erzählen.
Das machte sich Bosch zunutze. »Wie haben Sie sie in die Durchfahrt gelockt?«
»Das war ganz einfach. Ich bin zu ihr gegangen und habe ihr gesagt, dass ich weiß, wen und was sie sucht. Ich habe ihr gesagt, dass ich auf dem Schiff war und von dieser Geschichte gehört hatte. Ich habe gesagt, ich würde mich ihr als Quelle zur Verfügung stellen, aber im Moment wäre es zu gefährlich, mit ihr zu reden. Ich habe ihr vorgeschlagen, mich um fünf Uhr in der Durchfahrt mit ihr zu treffen. Und sie war tatsächlich so blöd, hinzukommen.«
Er nickte, wie um zu sagen, dass damit die Sache geritzt gewesen war.
»Was haben Sie mit ihren Kameras gemacht?«
»Das Gleiche wie mit der Pistole. Ich habe ihre Sachen in einen der Gärten dort hinten geworfen. Die Filme habe ich natürlich vorher rausgenommen.«
Bosch stellte es sich vor. Eine Kamera, die in einem Garten landete und die der Finder behielt oder versetzte, statt sie der Polizei zu übergeben.
»Sonst noch Fragen, Detective?« Drummond genoss es sichtlich, Bosch seine Cleverness demonstrieren zu können.
»Ja«, sagte Bosch. »Wenn Sie derjenige waren, der es getan hat, wie haben Sie es dann geschafft, Cosgrove und die anderen zwanzig Jahre lang nach Ihrer Pfeife tanzen zu lassen?«
»Ganz einfach. Carl junior wäre enterbt worden, wenn sein alter Herr erfahren hätte, dass er in so etwas verwickelt war. Die anderen haben einfach gekuscht, und wenn nicht, wurden sie aus dem Weg geräumt.«
Damit drehte er sich um und ging zum Tor. Er drückte es auf, doch dann hielt er inne. Er schaute mit einem finsteren Lächeln zu Bosch zurück, als er die Hand ausstreckte und die Deckenlampe ausschaltete.
»Schlafen Sie ein bisschen, Detective.«
Dann ging er nach draußen und schloss das Tor hinter sich. Bosch hörte, wie der Stahlschieber einrastete, als Drummond ihn einschloss.
Er blieb in vollkommener Dunkelheit zurück.
Aber er lebte noch – vorerst.
33
B osch war nicht zum ersten Mal in völliger Dunkelheit sich
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