Black Dagger 13 - Racheengel
Entscheidungen, was man essen, wo man schlafen und wie man sich anziehen soll, eine echte Wegscheide. In diesen Momenten, wenn sich der Nebel der Belanglosigkeit hebt und das Schicksal eine Entscheidung des freien Willens verlangt, gibt es nur rechts oder links – und keine Möglichkeit, in das Gebüsch zwischen den Straßen zu fahren, kein Verhandeln mit der Wahl, vor die man gestellt wird. Man muss sich der Entscheidung stellen. Und es gibt kein Zurück.
Dummerweise hatte Rehv sich erst antrainieren müssen, nach moralischen Gesichtspunkten zu entscheiden, um sich bei den Vampiren einzugliedern. Er hatte seine Lektion gelernt, aber es gab Grenzen.
Und seine medikamentöse Ruhigstellung funktionierte nicht hundertprozentig.
Auf einmal wurde Montrags blasses Gesicht in diverse Rosatöne getaucht, sein braunes Haar färbte sich dunkelrot und sein Jackett nahm die Farbe von Ketchup an. Als Rehvs Umgebung ins Rote kippte, verlor er jegliche räumliche Wahrnehmung, so dass seine Welt zur Kinoleinwand mutierte.
Was vielleicht erklärt, warum es den Symphathen so leicht fiel, Leute zu benutzen. Als seine dunkle Seite das Ruder übernahm, hatte das Universum die Tiefe eines Schachbretts, und die Leute darauf waren Bauern in seiner allwissenden Hand. Jeder von ihnen. Feinde... wie Freunde.
»Ich werde mich darum kümmern«, erklärte Rehv. »Wie du schon sagtest, ich weiß, was zu tun ist.«
»Gib mir dein Wort.« Montrag streckte ihm die glatte Hand entgegen. »Dein Wort, dass du es heimlich und diskret ausführst.«
Rehv ließ die Hand im Wind hängen, aber er lächelte und entblößte einmal mehr seine Fänge. »Verlass dich ganz auf mich.«
2
Als Wrath, Sohn des Wrath, eine Gasse in der Innenstadt von Caldwell entlang hetzte, blutete er aus zwei Wunden. Ein Schnitt klaffte an seiner linken Schulter, von einer gezackten Schneide verursacht, und aus seinem Oberschenkel fehlte ein Stück, dank der rostigen Ecke eines Müllcontainers. Der Lesser vor ihm, den er wie einen Fisch ausnehmen würde, war für keine dieser Verletzungen verantwortlich: Die zwei hellhaarigen, mädchenhaft riechenden Kumpane des Arschlochs hatten ihn so zugerichtet.
Kurz bevor er sie in zwei Kompostsäcke verwandelt hatte, dreihundert Meter und drei Minuten vorher.
Der Bastard vor ihm war das eigentliche Ziel.
Der Jäger rannte wie verrückt, aber Wrath war schneller – nicht, weil seine Beine länger waren, und obwohl er undicht war wie ein verrosteter Kanister.
Es gab keinen Zweifel, dass der dritte Mann sterben würde.
Es war eine Frage des Willens.
Der Lesser hatte heute Nacht den falschen Weg eingeschlagen – obgleich nicht bei der Wahl dieser Gasse. Das war vielleicht die einzig richtige und gute Wahl, die dieser Untote seit Jahrzehnten getroffen hatte, denn Abgeschiedenheit war entscheidend für einen Kampf. Das Letzte, was die Bruderschaft und die Gesellschaft der Lesser brauchten, war die Einmischung der menschlichen Polizei oder Zeugen, die mehr als eine blutige Nase von diesen Kämpfen mitbekamen.
Nein, dieser Hund hatte seinen Untergang besiegelt, als er vor fünfzehn Minuten einen Zivilisten getötet hatte. Mit einem Lächeln im Gesicht. Vor Wraths Augen.
Der König war dem Geruch von frischem Vampirblut gefolgt und hatte die drei Jäger dabei ertappt, wie sie einen seiner Zivilisten entführen wollten. Sie hatten eindeutig erkannt, dass Wrath zumindest ein Mitglied der Bruderschaft war, denn der Lesser, der jetzt vor ihm wegrannte, hatte den Vampir getötet, damit er und seine Kumpane die Hände frei hatten und sich ganz auf den Kampf konzentrieren konnten.
Es war traurig. Wraths Erscheinen hatte dem Zivilisten einen langsamen, grausamen Foltertod in einem der Überzeugungszentren der Gesellschaft erspart. Aber es zerriss Wrath das Herz, zu sehen, wie ein zu Tode verängstigter Unschuldiger aufgeschlitzt und wie eine leere Brotzeitdose auf den eisigen, aufgeplatzten Gehsteig geworfen wurde.
Also musste dieses Arschloch vor ihm sterben.
Auge um Auge und noch eins drauf.
Als der Weg in einer Sackgasse endete, vollführte der Lesser eine Pirouette und drehte sich kampfbereit um, die Füße fest am Boden, das Messer gehoben. Wrath bremste nicht ab. Im Laufen holte er einen seiner Wurfsterne heraus und schickte ihn mit einem Schwung aus dem Handgelenk auf die Reise, ein kleines bisschen überheblich.
Manchmal wollte man, dass der Gegner wusste, was auf ihn zukam. Der Lesser folgte brav der Choreographie, verlagerte
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