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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Felice
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während der Rest des Körpers wie in einem Foto festgefroren scheint.
    »Mama? Ein Feuer wird kommen. Im Wald wird’s anfangen. Es gibt sogar einen Gott dafür, wusstest du das nicht? Ich weiß es, weil ich seine Hufe gesehen habe. Wie wendig er sich bewegt. Früher habe ich immer die Sachen ausgewählt, zu denen er tanzte. Ich war derjenige, der bestimmte, wer singen durfte und wer nicht. Aber egal. Wie geht’s dir? Warum warst du so lange weg? Ist schon recht. Ich bin heilfroh, dass du da bist. Pssst. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ein Waldbrand ist blind. Und wie alles, was blind ist, schlägt er wütend um sich: Feuerwehrleute, Hubschrauber. Ich sehe, wie er sie bei lebendigem Leibe verschlingt, wie er sich seinen Weg über die Autobahn bahnt. Das Knistern in den vertrockneten Bäumen. Wie er sich selbst durch Wolkenkratzer frisst. Wie er mit voller Wucht durch einen Kinderwagen bläst. Ich weiß nicht, wie er ausgebrochen ist, aber ich weiß, dass er sich in diese Richtung bewegt. Und ich brenne. Ich brenne, und ich pisse. Ich habe einen Lockvogel gebaut, während du schliefst – still und heimlich. Und dann kam ich hierher, um mich an einem kühlen Ort zu verstecken. Vielleicht kann ich hier ja überleben. Wenn du mich wirklich liebst, dann schließ die Tür.«
    Unten auf der Straße suchen ihre Augen nach irgendeinem Hinweis, der sie zu einer Bushaltestelle führt. Als sie Rose Avenue überquert, hört sie Bebops Blockflöte, undefinierbar zunächst, doch dann immer prägnanter. Eine Melodie, die Mädchen aus ihren Gefängnissen befreien kann, eine Melodie, mit der sich jede Ratte aus dem Versteck locken lässt.
    Dann sieht sie ihn, wie er gerade an dem Coffeeshop vorbeischleicht, die blaue Blockflöte an den Lippen, seinen Batikturban hoch auf dem Kopf, ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Sie reckt ihren Hals und winkt dem Junkie zum Abschied zu – wie ein Waisenkind vom Lande, das einen Freund in der Stadt gefunden hat. Aber sie wartet nicht, bis er vielleicht zurückwinkt. Sie dreht sich um und geht so schnell, wie ihre lilienweißen Beine sie tragen.
    Am Ende der Rose Avenue steckt sich ein kahlköpfiges Kind mit einem Streichholz eine Zigarette an. Zwei Möwen kämpfen auf dem Bürgersteig um einen halben Hamburger. Eine Frau weint in ihr Telefon, und das Make-up läuft zwischen ihren Mundwinkeln herunter. Und die Wellen rollen an Land, und die Wellen rollen hinaus auf die See.

Gay Paris, New York
    GAY PARIS, NEW YORK
    Die ganze Nacht hat es in Strömen geregnet. Ein heftiger, bösartiger Sturm, der Gloria immer wieder aus dem Schlaf gerissen hat, ein Sturm, bei dem man dankbar ist, vier Wände und ein Dach über dem Kopf zu haben, die diesem kinetischen Derwisch aus Wind und Wasser beharrlich den Zutritt verweigern.
    Dann hört sie ein lautes Krachen und hebt ihren Kopf, den sie in einem sicheren Versteck zwischen zwei Kissen vergraben hat. Sie sieht im fahlen Morgenlicht, wie draußen der Sturm noch immer wütet und die große blaue Plane über den Flohmarkt weht.
    Aus dem Hinterzimmer hört sie ein Schlurfen und ein unterdrücktes Fluchen. Debbie und Joe stürmen heraus, bahnen sich ihren Weg durch den vollgestopften Raum, der einst das Dairy Queen beheimatete, und rennen zum Eingang – als seien sie Sanitäter, die nach einem Erdbeben als Erste die zerstörte Shoppingmall betreten.
    »Herr im Himmel, nicht die Porno-Spielkarten! Die hatte ich doch gerade erst aufgetrieben«, hört Gloria Debbie schreien. »Schnell, Joe, sammle sie ein, es sind Originale aus den Fünfzigern.«
    Dann hört sie ein anderes Geräusch. Es kommt von oben – Lionel in seiner Dachkammer. Sie atmet einmal durch, steht auf, zieht ihre Stiefel an, geht zur Leiter und lauscht den Wortfetzen, die oben aus der Luke kommen.
    »Tut mir leid tut mir leid tut mir leid«, scheint er zu sagen. Immer und immer wieder.
    »Lionel?«, ruft sie vorsichtig die Leiter hinauf. »Ist alles okay bei dir?«
    Sie wartet auf eine Antwort, aber nichts passiert. Nur die alte zerkratzte Schallplatte, die unaufhörlich die gleichen Worte wiederholt: »Tut mir leid tut mir leid tut mir leid.«
    Sie steigt die Leiter hinauf, ihr Bein schmerzt mit jeder Sprosse mehr, und sie denkt: Er muss wohl träumen. Als sie oben ankommt, macht sie sich für einen Augenblick mit dem seltsamen kleinen Zimmer vertraut, tritt dann an sein schmales Bett, schaut zu ihm hinunter und weiß sofort, dass es kein guter Traum sein kann.
    »Tut mir leid tut mir leid

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