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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Felice
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dort gerade einen ›Burger King‹. Es war eine Baustelle, ein leeres Grundstück, das man mit Seilen abgesperrt hatte. Das Fundament war bereits gelegt, und sie hatten gerade damit angefangen, die Wände hochzuziehen. Es muss wohl ein Sonntag oder so gewesen sein, weil die Baustelle leer war. Ich war eigentlich dazu abkommandiert, an einem der Kontrollpunkte auszuhelfen, aber da war diese Geschichte mit dem Marine – einem Burschen, mit dem ich immer zusammen aß, wir nannten ihn ›House of Blues‹, weil er so groß war und Mundharmonika spielte –; ich hatte gesehen, wie sie ihm am Tag zuvor das Hirn weggeblasen hatten. Die Kugel riss den hinteren Teil seines Kopfes weg – er war direkt neben mir, so nah wie wir beide jetzt –, wir hatten keine Ahnung, woher der Schuss kam, und plötzlich hatte ich sein Hirn in meinen Händen, über meiner ganzen Hose. Am nächsten Tag war ich noch völlig durch den Wind. Ich sagte unserem Einsatzleiter, dass ich mal pinkeln müsste, aber ich verdrückte mich und kam zu dem ›Burger King‹ und versteckte mich dort, mit dem Rücken zur Wand, wie eine kleine Heulsuse.«
    »Du hast einfach Angst gehabt«, sagt sie und spürt, wie kalt seine Hand ist.
    »Wie ein kleines Mädchen«, sagt er. Ein Windstoß fährt über die Wiese, auf der sie liegen, kräuselt das Wasser, wirbelt sein bleiches Haar auf und rüttelt an den verdorrten Rohrkolben. »Ich blieb lange in meinem Versteck. Von dem Ort, an dem ich saß, konnte ich das Schild sehen, das wohl der Bauunternehmer in den Boden gehämmert hatte. Ich weiß nicht warum, aber ich las es immer und immer wieder: ›Liberty Corporation – wir arbeiten Hand in Hand mit Ihrer Gemeinde, um ein besseres Morgen zu bauen.‹ Nach einer Weile schlief ich ein. Und dann hörte ich den Truck.«
    Stille auf der Wiese. Nur Glorias Herz. Und ein Hund, der in der Ferne bellt.
    »Es war einer von unseren. Ein Humvee. Ich beobachtete, wie er auf den Bauplatz fuhr. Zuerst dachte ich, sie suchten nach mir. Ich hatte Mordsschiss und war mucksmäuschenstill. Aber als sie ausstiegen, sah ich, dass sie ein Mädchen dabeihatten, eine Einheimische. Sie zogen sie an ihren Haaren raus und warfen sie auf den Boden. Ich kannte die Burschen. Es waren drei, besoffen bis unter die Schädeldecke. Offensichtlich glaubten sie wohl, dass das Mädchen jemanden versteckt halte, einen Scharfschützen vielleicht, womöglich den gleichen Scharfschützen, der House of Blues erwischt hatte. Sie waren wohl fest davon überzeugt, dass sie sich ihr Schicksal selbst zuzuschreiben hätte. Und Mann, wie sie über sie herfielen! Ich sah zu, wie sie sich an ihr vergingen. Wie ein Rudel tollwütiger Hunde. Ich konnte nicht wegsehen«, sagt Black Jesus. »Ich konnte einfach nicht wegsehen.«
    Gloria beobachtet seinen Mund, während er spricht. Was immer sie dort in den letzten Monaten an Unschuld, an Jugendlichkeit entdeckt haben mochte, ist verschwunden. Wie ausradiert. Seine dünnen, ausgetrockneten Lippen erinnern sie an einen spröden Reifen, den jemand in der Sonne zurückgelassen hat, nachdem der Fahrer irgendwo in der amerikanischen Wüste ein Kind überfahren und Fahrerflucht begangen hat.
    »Und dann passierte alles so schnell. Nachdem sie das Mädchen missbraucht hatten, zogen sie es vom Boden, und zwei von ihnen drückten sie gegen das Burger-King-Schild, während der Dritte sich eine Nagelpistole griff, die dort noch rumlag, und ihre Hände an die Holzwand nagelte. Sie schrie nicht einmal, sondern hing da nur mit ihren ausgestreckten Armen und starrte sie an. Einer von ihnen ging zum Humvee, kam mit einem Benzinkanister zurück und schüttete ihn über ihr aus, bis ihr ganzer Körper im Scheinwerferlicht glänzte. Und dann steckte er sich eine Zigarette an, nahm einen Zug und schnipste sie in ihre Richtung. Sie landete in ihren Haaren, und Sekunden später brannte sie wie ein Weihnachtsbaum.«
    »O nein«, sagt sie. »O nein. Komm her«, sagt sie, zieht ihn an sich heran und schlingt ihre Arme um ihn, als sei er ein unterkühltes Kind. Ein Kind, das zittert. Ein Kind, das genau weiß, wie man tötet. Das nicht mal der schlechteste Schütze war. Und das in der Finsternis danach eine Milliarde Tränen in sich hineinschluckte.
    »Du kannst ruhig weinen«, sagt Gloria und schaut über den Teich. »Ich werd mit niemandem drüber sprechen«, sagt sie, und im Nu ist ihr Pullover heiß von seinen Tränen.
    »Ich hab ihr nicht geholfen«, schluchzt er. »Selbst nachdem sie

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