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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
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ich auch nicht. Ich bin ein Fluch. Ich bin eine Pestbeule an deinem Hals. Das Beste, was ich für dich tun kann, ist, von dir wegzukommen. Das Beste, was du tun kannst, ist, die Beule aufzuschneiden.«
    Sie greift nach ihrer Kuriertasche und stößt die Tür auf.
    »Warte!«, sagt er.
    Sie beachtet ihn nicht und springt auf den rissigen und zerbröckelnden Highway-Seitenstreifen. Ihre Füße landen in einer trüben Pfütze und werden völlig durchnässt.
    Louis rutscht rüber auf die Beifahrerseite und klappt das Handschuhfach auf.
    »Warte! Hier«, sagt er, während er darin herumkramt. Erfördert einen weißen Umschlag zutage, und als er ihn aufreißt, sieht sie, was darin ist: Geld.
    Ein dickes Bündel, alles 20-Dollar-Scheine mit Andrew Jackson drauf.
    Mit schwieligem Daumen und Zeigefinger zählt er fünf Scheine heraus, dann hält er sie ihr hin.
    »Nimm es.«
    »Fick dich ins Knie!«
    Er sieht verletzt aus. Gut. Es ist nötig, dass sie ihn verletzt. Sie hasst es, aber es ist wie Medizin. Jeder braucht seine Medizin. Schmeckt schlecht. Tut Wunder.
    »Ich hab reichlich.«
    Es ist das Letzte, was sie wissen will. Es macht ihn zur Zielscheibe. Sie kann nicht umhin, sich ihn jetzt als totgefahrenes Tier vorzustellen und sich selbst, wie sie mit einem Geierschnabel an seinen freiliegenden Eingeweiden herumpickt.
    »Ich bin kein Wohlfahrtsfall«, sagt sie, obwohl sie weiß, dass sie einer ist.
    Seine Verletzung ist nun schon verschorft und zu etwas anderem geworden. Er ist jetzt wütend. Er steigt aus und packt sie am Handgelenk, fest genug, um sie zu zwingen, aber nicht so, dass es wehtut, und drückt ihr das Geld hinein.
    »Es sind hundert Dollar.«
    »Louis ...«
    »Hör zu. Hör zu! Geh in die Richtung, in die wir gefahren sind. Es ist ungefähr eine halbe Stunde. Du findest ein Motel auf dem Weg, eine Anlage, es ist wie ... eine Reihe von Bungalows. Es gibt dort eine Tankstelle und eine Kneipe. Wenn du immer weitergehst, findest du es. Aber geh von der Straße runter. Man weiß nicht, was für Spinner hier draußen um zwei Uhr morgens unterwegs sind.«
    »Ich weiß, was für Spinner hier draußen sind«, sagt sie, denn sie ist einer von ihnen. Miriam nimmt das Geld. Sie schaut in Louis’ Augen: Er versucht, hart zu sein, aber schonjetzt schmilzt die Wut dahin, trocknet der Schorf der Wunde aus und blättert ab.
    »Wirst du klarkommen?«, fragt er.
    »Ich komme immer klar«, sagt sie. »Am besten vergisst du, dass du mir je begegnet bist.«
    Miriam reißt sich von ihm los und geht davon. Den Kopf hält sie gesenkt.
    Blick nicht zurück, Dummkopf! Sie braucht einen Drink.
ZWISCHENSPIEL
    Das Interview
    »Die erste Regel ist, dass ich nur sehe, was ich sehe, wenn Haut an Haut liegt«, sagt Miriam. »Wenn ich dich am Ellbogen anfasse und du trägst ein Hemd, dann passiert nichts. Wenn ich Handschuhe trage – und das habe ich früher, weil ich von all dem Wahnsinn nichts wissen wollte –, dann verhindert das, dass die Vision eintritt.«
    »Das muss schrecklich sein«, sagt Paul. »Ich meine – ’tschuldigung. Ich meine nur, immer und immer wieder, und Sie können nie jemandem nahekommen, ich meine ...«
    »Entspann dich, Paul. Ich kann es wegstecken. Ich bin ein großes Mädchen. Aber das führt uns zu Regel zwei. Oder vielleicht auch drei – ich sollte sie wirklich aufschreiben. Die Regel lautet, einmal und fertig. Ich kriege die Vision ein Mal. Es passiert nicht wieder und wieder – auch wenn, das kann ich dir sagen, ein paar der wirklich üblen ein Mädchen nachts nicht schlafen lassen.«
    Sie hält inne und versucht, an keine davon zu denken. Vor ihrem geistigen Auge spulen sich so viel Blut, so viel Leiden, so viele letzte Momente ab. Ein Theater des Makabren, beidem der Vorhang niemals fällt. Tanzende Skelette. Schwatzende Schädel.
    »Also, was ist es, das Sie sehen?«, fragt Paul. »Sind Sie wie, na ja, wie ein Engel, der über der Szene schwebt? Oder sind Sie die Person, die stirbt?«
    »Ein Engel. Das ist lustig. Ich und Flügel.« Sie reibt sich ein paar Schlafkörner aus dem Augenwinkel. »Das führt uns zur nächsten Regel. Ich bin die unparteiische Beobachterin. Mein Beobachtungspunkt schwebt über dem Ganzen, vielleicht auch seitlich davon. Ich bin eingeweiht in gewisse Details, aber in andere nicht. Ich weiß zum einen, wie die Person das Zeitliche segnet. Und zwar ganz genau.
    Der Tod ist nicht immer offensichtlich. Ein Kerl greift sich an den Kopf und kippt um, das könnte vieles sein.

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