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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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EINS

    D er Tag, an dem ich Ellen sah, begann wie ein ganz normaler Wochentag. Nichts deutete auf ein ungewöhnliches Ereignis hin, ich hatte keinerlei Vorahnung. Ich wachte zur gleichen Uhrzeit wie immer auf und machte mich zur gewohnten Zeit auf den Weg zu meiner Arbeitsstelle im Brunel Memorial Museum in Bristol. Der Vormittag verging schnell und ohne Zwischenfälle. Mittags aß ich ein Tomaten-Mozzarella-Sandwich, dann bat mich John Lansdown, der Kurator für Antike Kunst, Illustrationsmaterial für einen Vortrag über die Geschichte von Jade zusammenzustellen. Eines der angeforderten Objekte war ein Amulett, das in der Ägyptischen Galerie im Zwischengeschoss ausgestellt war. Normalerweise hätte ich Misty, unsere Praktikantin, gebeten, es zu holen, aber sie hatte an diesem Tag frei, außerdem war es für mich eine willkommene Gelegenheit, mir ein wenig die Beine zu vertreten. Ich griff zu Handschuhen und Schlüsselbund, verließ den hinteren Museumstrakt, den Arbeitsbereich der akademischen Angestellten, und durchquerte die kathedralenartige Haupthalle. Dann stieg ich die geschwungene Marmortreppe hinauf, auf die das durch die Glaskuppel einfallende Licht bunte, rautenförmige Muster malte.
    Im Zwischengeschoss bahnte ich mir einen Weg durch die Besucher, die sich um eine anschauliche Darstellung der Kunst der Einbalsamierung drängten. Geduckt trat ich durch die niedrige Türöffnung, die dem Eingang einer Pyramide nachempfunden war. Dahinter führte ein schmaler Gang in die Ägyptische Galerie, die Nachbildung eines Grabesinneren. Tiefe pechschwarze Dunkelheit umfing mich, nur hie und da unterbrochen von gedämpften Strahlern, die auf die Schlüsselexponate gerichtet waren. Die Lichter waren mit einer Zeitschaltuhr verbunden: Verblasste eines, flammte ein anderes auf. Wenn zum Beispiel die zweieinhalb Meter große Statue des schakalgesichtigen Anubis mit der Schwärze verschmolz, materialisierte sich im selben Augenblick eine lumpenumwickelte, vertrocknete Mumie grinsend aus der Dunkelheit. Um die wirklichkeitsnahe Anmutung noch zu verstärken, erklang im Hintergrund leise ein Geräusch wie der klagende Wind, der durch das Tal der Könige strich. Die Besucher senkten unwillkürlich die Stimme, und so vertraut mir die schmale Galerie auch war, bekam ich jedes Mal, wenn ich sie betrat, eine leichte Gänsehaut. Während sich meine Augen allmählich an die Dunkelheiten gewöhnten, bewegte ich mich vorsichtig zwischen den Ausstellungsstücken hindurch. Als ich bei dem Schaukasten mit dem Amulett ankam, ging ich in die Hocke, um die Alarmanlage auszuschalten. Die Glastür öffnete sich, und ich fasste hinein, um das Exponat herauszunehmen. Vorsichtig schloss ich die Finger um das kostbare antike Stück und barg es schützend in der gewölbten Hand. Dann verschloss ich die Vitrinentür wieder und erhob mich. Und in diesem Moment erblickte ich sie.
    Ellen Brecht war in der Kammer.
    Meine beste Freundin. Meine Nemesis. Die Göttin der Rache.
    Es war, als hätte es die letzten zwanzig Jahre nicht gegeben. Ich hatte das Gefühl, wieder achtzehn zu sein. Reglos stand ich da, während sie mich durchdringend ansah. Als die Strahler in diesem Teil der Galerie ausgingen, verschmolz sie wieder mit der Finsternis.
    Panik überwältigte mich. Ich wich ein paar Schritte zurück, dann gingen die Lichter wieder an, und ich schrie laut auf, denn Ellen stand jetzt ganz in meiner Nähe, neben einer Gruppe Kanopenkrüge.
    Geh weg! , flehte ich stumm. Geh weg! Lass mich in Ruhe! Aber sie rührte sich nicht von der Stelle, sondern blieb reglos stehen und starrte mich unverwandt an.
    Ich bekam kaum noch Luft. Die Kehle schnürte sich mir zu. Ich wollte fliehen, aber meine Beine gehorchten mir nicht, waren wie gelähmt. Ich stolperte und stieß gegen einen Sarkophag, der im Dunkeln kaum auszumachen war, und mir war, als baute sich der in brüchige braune Binden gewickelte Leichnam bedrohlich vor mir auf. Ich rang nach Luft, der Boden neigte sich zur Seite, die Kammer drehte sich um mich herum. Wieder verblassten die Lichter, und ich konnte Ellen nicht mehr erkennen. Abrupt wandte ich mich um und bahnte mir einen Weg in Richtung Ausgang. Blinzelnd duckte ich mich durch die niedrige Öffnung hinaus ins Helle. Ohne den Handlauf des Geländers loszulassen, rannte ich durch das Zwischengeschoss auf die geschwungene Treppe zu und dann mit klappernden Absätzen in die Haupthalle hinab. Unter dem Skelett des Tyrannosaurus, der unter der Decke

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