Blackcollar
dann nicht mehr gespürt hätte, wären die Wunden durch eine übermäßige Belastung vielleicht noch weiter aufgerissen. Wo sie nun aber ein Versteck gefunden hatten, war eine Spritze überfällig.
»Ich lasse dir alle Rationen und das Wasser da«, fuhr Flynn fort, setzte seinen Rucksack ab und stellte ihn neben Jensen. »Wenn ich zurückkomme, kündige ich mich mit einem Pocher-Signal an.«
»Du willst weggehen?«, unterbrach Jensen ihn.
»Ich versuche, die nächste Ansiedlung zu erreichen«, sagte Flynn. »Aus deinem letzten Einsatzbericht geht hervor, dass es in diesen Bergen ein paar Kleinstädte und Dörfer gibt.«
»Und du glaubst, dass es dort irgendwo einen richtigen Arzt gibt?«
»Sie müssten zumindest wissen, wo einer zu finden ist«, sagte Flynn hartnäckig. »Es sei denn, du willst hier sitzen bleiben, bis eine Selbstheilung eingetreten ist.«
»Nein, einen Arzt könnte ich schon gebrauchen«, pflichtete Jensen ihm bei. »Aber wir werden nicht im hellen Tageslicht in der Gegend herumspazieren.«
»Die Einheimischen werden tagsüber aber leichter zu finden sein«, gab Flynn zu bedenken.
»Und du wirst auch leichter zu finden sein«, sagte Jensen. »Wir bleiben hier, bis es dunkel wird.«
Für eine Weile musterte Flynn ihn stumm. Dann drehte er sich mit einem Seufzer um, setzte sich neben Jensen an den Baumstamm und schlug die Beine übereinander. »Na gut«, sagte er. »Was hältst du davon, mir eine Geschichte zu erzählen, während wir warten?«
»Was denn für eine Geschichte?«
»Das weißt du ganz genau«, sagte Flynn frei heraus. »Wir haben die Besichtigung von Aegis Mountain doch nicht spontan unternommen. Du hast das schon die ganze Zeit geplant oder zumindest in Erwägung gezogen. In Anbetracht der aktuellen Umstände glaube ich, dass ich den Grund dafür erfahren sollte.«
Jensen verzog das Gesicht. Aber Flynn hatte recht.
»Das meiste weißt du sowieso schon«, sagte er. »Vor einem Jahr hat einer der örtlichen Blackcollars, Bernhard, uns zur Hintertür geführt, die die alte Widerstandsgruppe Fackel in Aegis Mountain geöffnet hatte, und wir sind dann alle hineingegangen.«
»Und ihr habt das Whiplash gefunden, das sie vor ihrem Tod zusammengebraut hatten.«
»Richtig«, sagte Jensen. »Was du aber noch nicht weißt - und Skyler weiß das vielleicht auch noch nicht -, ist, dass an dem Tag, als wir in den Berg gegangen sind, jemand uns beobachtet hat.«
Er spürte, wie Flynn sich versteifte. »Woher willst du das wissen?«
»Ich habe einen Lichtreflex vom Fernglas oder Fernrohr gesehen, das er benutzte«, sagte Jensen. »Es war auf halber Höhe eines Abhangs ungefähr einen Kilometer westlich von uns.«
»Und du hast den anderen nichts gesagt?«
Jensen wollte das schon mit einem Achselzucken abtun, überlegte es sich dann aber anders. »Ich habe es Mordecai gesagt, der draußen geblieben war und die rückwärtige Sicherung übernommen hatte. Ich hatte es aber nicht für nötig gehalten, es den anderen gegenüber zu erwähnen. Es war schließlich nicht so, dass wir noch zusätzliche Leute oder Verstärkung gehabt hätten, die wir hätten anfordern können.«
»Ich vermute, ihr seid von niemandem erwartet worden, als ihr den Berg wieder verlassen habt?«
»Nur von Mordecai«, sagte Jensen. »Und wir wissen, dass Bernhard, der uns schon vorausgegangen war, auch keine unangenehmen Begegnungen hatte.«
»Vielleicht war es nur ein Bergwanderer«, sagte Flynn. »Es wäre doch möglich, dass er nur die Gebirgslandschaft bewundert und euch überhaupt nicht gesehen hat.«
»Das wäre immerhin eine Möglichkeit«, stimmte Jensen ihm zu. »Und die andere ist, dass es sich um eine Art Beobachtungsposten handelte, den irgendjemand eingerichtet hat.«
»Jemand wie die Sicherheit?«
»In diesem Fall hätten die Ryqril am Haupteingang von Aegis schon längst ein Förderband aufgestellt, um das Zeug abzutransportieren«, gab Jensen zu bedenken. »Deshalb wollte ich selbst einmal nachschauen.«
»Verstehe«, sagte Flynn. Sein Ton war plötzlich nachdenklich. »Wenn es aber nicht die Sicherheit war und auch kein zufälliger Wandersmann, bleibt als einzige Möglichkeit noch die Fackel.«
»Bingo«, sagte Jensen mit einem Kopfnicken.
»Und natürlich wäre ein Beobachter der Fackel uns nicht in die Quere gekommen, weil nämlich Bernhard und Anne bei uns waren, die er beide erkannt hätte.«
»In Ordnung«, sagte Flynn. »Dann stellt sich also die Frage, ob er noch immer hier ist. Das heißt, das ist die erste
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