Blackhearts: Roman (German Edition)
Schüsse!«
»Noch nicht. Aber in der Zukunft tust du es.«
Er schlägt ungeschickt mit der Faust nach ihr, doch sie fängt sie ab, dreht sie um und klemmt ihm den Arm ins Kreuz. Der Methjunkie schreit auf, mehr aus Frust als vor Schmerz.
»Das Komische ist, wenn du stirbst, siehst du aus wie etwa sechzig, fünfundsechzig. Aber es passiert schon in fünfzehn Jahren. Meth ist keine Milch, Kumpel. Es tut dem Körper nicht gerade gut.«
Sie unterschätzt ihn und sonnt sich offen gestanden im Glanz ihres eigenen Amüsements. Das gibt dem Junkie eine Gelegenheit, die er ergreift. Der Wichser ist wendig wie eine Schlange – eine Schlange, die von starkem Methamphetamin aufgeputscht wurde – und stößt einen Ellbogen nach hinten. Er trifft sie zufällig genau dort, wo dieKugel einen schmalen Graben an der Seite ihres Kopfes hinterlassen hat.
Frisches Blut läuft ihr direkt ins Auge.
Der Methfreak schubst sie – heftig – und schickt sie zu Boden.
Sand an ihren Ellbogen. Gras, das sie am Hals kitzelt. Blut im Auge. Der Junkie lacht jetzt. Er versucht, sie anzuspucken, aber es tropft ihm nur übers Kinn und bleibt da hängen. Er tritt Erde nach ihr.
Schorfy greift nach ihren Fußgelenken. Miriam macht sich nicht die Mühe ihn zu treten. Ein Teil von ihr denkt: Das könnte er sein, das hier könnte mein letzter Tag sein. Schließlich ist es nicht so, als wüsste sie es. Sie kann herausfinden, wie alle anderen sterben werden, aber ihr eigenes Ende bleibt für sie ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das an ihren Fingerspitzen nagt.
Vor ein paar Stunden dachte sie, der Typ mit der Pistole würde sie erledigen. Jetzt irgendein Methjunkie.
Das einzige Problem: Sie will so nicht abdanken.
»Ich habe heute einen Mann umgebracht!«, faucht sie ihn an.
Das lässt den Methfreak stutzen. Miriams Hand schließt sich um etwas im Gras, nicht weit von den toten Ringelblumen entfernt, gleich neben dem durchlöcherten Zwerg.
»Du bist keine Mörderin«, sagt er grinsend.
Sie packt den Golfschläger und haut zu. Die Waffe kracht hart auf seinen Unterarm. Der Junkie brüllt und lässt Miriam los. Doch sie ist noch nicht fertig mit ihm. Sie springt auf, holt aus und lässt den Schläger noch einmal auf seine Unterarme herabsausen. Jetzt schreit er nicht mal mehr. Es ist bloß noch ein Wimmern, wie bei einem flennenden Kind, das vor einem Schwarm gereizter Wespen vor Angst erstarrt. Der Fuß des Suchtkranken bleibt an einem Hügelim unebenen Boden hängen – hier draußen bei Sand und Baumwurzeln ist alles unebener Boden.
Jetzt ist er an der Reihe und fällt hin.
»Halt dich fern von mir!«, sagt er, immer noch einfältig lächelnd.
»›Du bist keine Mörderin‹«, äfft sie ihn nach. »Wer weiß schon, was ich bin? Du sicher nicht!«
Sie hebt den Schläger über den Kopf. Miriam ist die Hand des Schicksals. Sie hat seinen Tod gesehen: Heroinüberdosis. Aber nun liegt es in ihren Händen, das zu ändern. Seinen Arsch aus seiner sterblichen Hülle zu befördern würde bedeuten, es gibt einen Junkie-Vergewaltiger weniger auf der Welt. Sie würde allen einen Gefallen tun.
Er schreit auf. Blubbert eine große Rotzblase hervor.
Der Schläger fällt aus ihren Händen.
»Zieh Leine«, murmelt sie und stupst ihn mit dem Fuß an.
Anscheinend erkennt er eine Begnadigung nicht, wenn er eine sieht.
Sie tritt ihm Sand ins Ohr. »Ich sagte, zieh verdammt noch mal Leine!«
Der Fixer jault auf, bewegt sich im Krebsgang von ihr fort, bis es ihm gelingt, aufzustehen. Er verdrückt sich zwischen zwei extragroßen Wohnwagen hindurch.
Miriam geht rein. Sie zündet sich noch eine Zigarette an, hört Louis’ Stimme in ihrem Kopf schimpfen, weil sie hier drin nicht rauchen soll. Aber im Augenblick ist ihr das egal. Wie sehr sie sich auch bemüht, es kümmert sie einfach nicht.
Sie findet sich im Bad wieder – beziehungsweise in dem, was dafür durchgeht. Es ist so beengt, dass man sich kaum umdrehen kann. Die Tür ist nicht mal eine Tür, nur ein Faltstoff, den man zuzieht. Unter ihr: ein Teppich in Durchfallfarbe. Wenn man sein Bad mit Teppich auslegen will, ist dieEntscheidung für einen Scheißfarbton wohl die naheliegende Wahl.
Das Blut an Miriams Stirn ist klebrig. Wie eine scharrende Katze dreht sie an der Klopapierrolle, bis ein Haufen Zellstoff auf dem Boden liegt. Ratsch . Sie tupft sich den Kopf damit ab und betrachtet die schwarzrote Furche, die quer durch ihr Haar geht.
Haar, das früher einmal je nach Wochentag eine
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