Blacklist - Blacklist - Blacklist
sich ebenso stramm aufrecht wie ihr Sohn. Vielleicht hatte ihre Mutter sie als Kind an ein viktorianisches Rückenbrett gebunden, und sie hatte die Prozedur bei Darraugh wiederholt.
Erst als Geraldine Graham zurücktrat, um mich einzulassen und Licht auf ihr Gesicht fiel, sah ich die vielen Fältchen. »Sie sind wohl die junge Frau, die mein Sohn geschickt hat, um nachzusehen, wer in Larchmont Hall einbricht, wie?« Wie viele alte Menschen hatte sie eine hohe, brüchige Stimme. »Ich habe mich gefragt, ob der Polizist Sie wohl festnimmt, aber Sie scheinen sich gut herausgeredet zu haben. Was wollte er?«
»Sie haben mich beobachtet, Ma'am?«
»Der Zeitvertreib der Alten. Aus dem Fenster spähen, durch Schlüssellöcher linsen. Wiewohl Sie mit meinem Hobby ja offensichtlich Ihren Lebensunterhalt verdienen. Ich koche mir gerade eine Tasse Tee. Sie können auch eine haben, wenn Sie möchten. Oder auch Bourbon: Ich weiß, dass Detektive stärkere Getränke als Tee bevorzugen.«
Ich lachte. »Nur Philip Marlowe. Wir modernen Detektive vertragen keinen Alkohol am helllichten Tag, davon schlafen wir ein.«
Sie ging mir voraus durch einen kurzen Gang zur Küche. Ich empfand einen Anflug von Neid angesichts des Kühlschranks mit der zweiflügeligen Tür und des modernen Herds. Meine eigene Küche hatte zwei Mietergenerationen vor mir die letzten Neuerungen gesehen. Ich fragte mich, was es wohl kosten würde, sich so eine freistehende Kochgelegenheit mit diesen schicken Ceranfeldern, die wie aufgemalt aussahen, einbauen zu lassen. Vermutlich zwei Jahre Ratenzahlungen.
Ms. Graham bemerkte meinen Blick und sagte: »Die sollen die Alten davon abhalten, das Haus in Brand zu stecken. Sie schalten automatisch ab, wenn kein Topf darauf steht, oder spätestens nach ein paar Minuten, wenn man den Timer nicht entsprechend programmiert hat. Obwohl es ja heißt, die Alten sollen brennen und rasen, wenn die Dämmerung lauert.«
Als sie sich umständlich eine kleine Trittleiter zurechtschob, um an ihre Teebeutel zu kommen, machte ich Anstalten, ihr zu helfen. Sie wies mich im selben barschen Ton zurecht, wie ihr Sohn das gerne tat.
»Nur weil ich alt und langsam bin, heißt das noch lange nicht, dass die Jungen und Fixen mich wegschubsen müssen. Mein Sohn will mir eine Haushälterin auf den Hals hetzen, damit ich vor dem Fernseher oder hinter dem Fernglas vor mich hin vegetieren kann. Sie sehen ja, wir würden uns den ganzen Tag in den kleinen Räumen hier auf die Füße treten. Ich war froh, dass ich diesen ganzen Kokolores hinter mir lassen konnte, als ich aus dem großen Haus auszog. Haushälterinnen, Gärtner, auf Schritt und Tritt muss man die Gefühle und Zeitpläne von anderen beachten. Eines meiner Mädchen von früher kommt jeden Tag zum Saubermachen und Kochen - und um nachzuschauen, ob ich nicht nachts gestorben bin. Das reicht mir.«
Sie hängte die Teebeutel in elegante Porzellanbecher und goss heißes Wasser darüber. »Meine Mutter wäre zutiefst schockiert, wenn sie diese Teebeutel und die Becher sehen würde. Noch als sie neunzig war, mussten wir jeden Nachmittag das Crown-Derby-Service herunterholen. Becher und Teebeutel sind für mich gleichbedeutend mit Freiheit, aber ich bin mir nie ganz sicher, ob es wirklich Freiheit ist oder nicht doch Nachlässigkeit.«
Diese Tassen mit Goldrand und zartem Muster stammten auch nicht gerade aus der Bahnhofsmission. Als Ms. Graham mich mit einem Kopfnicken anwies, sie zu transportieren, bekam ich die zierlichen Henkel kaum zu fassen. Das Porzellan war so hauchdünn, dass ich mir die Finger verbrannte. Ms. Graham unter diesen Umständen Schritt für Schritt ins Wohnzimmer zu folgen, war eine Art biblische Strafe inklusive Höllenfeuer.
Wenn Geraldine Graham früher in einem Anwesen wie der Villa gegenüber gewohnt hatte, empfand sie ihr Apartment vermutlich als beengend, aber alleine das Wohnzimmer war so groß wie meine gesamte Behausung. Helle chinesische Teppiche schmiegten sich an das glänzende Parkett. Sessel mit blassgelben Satinbezügen umringten einen offenen Kamin an einer Wand, aber Ms. Graham ging weiter zu einem Erkerfenster, von dem man auf Larchmont Hall blickte. Dort stand ein Polstersessel nebst rundem Piecrust-Tischchen. Hier schien sie sich am häufigsten aufzuhalten: Auf dem Tisch fand sich ein Sammelsurium aus Lesebrille, Fernglas, Telefon und Büchern. Hinter dem Stuhl hing ein Ölgemälde von einer Frau. Sie trug ein Kleid, das um die Jahrhundertwende
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