BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
fuhren, sahen Shannon und Manzano ein winziges Licht flackern.
»Keine Ahnung. Wird heller und größer«, sagte Shannon.
Sie näherten sich der Weiche.
»Wird sehr schnell heller und größer«, stellte sie fest. »Auf den Schienen. Das ist ein Zug. Und er hat es eilig.«
Manzano hatte die Weiche fast erreicht.
»Ein Zug?«
»Auf den du gerade direkt zufährst.«
»Auf unserem Gleis?«
»Kann ich nicht erkennen.«
Manzano bremste ihren Wagen, nachdem sie die Weiche überfahren hatten.
»Das ist ein Zug«, wiederholte Shannon nun nervös. Sie konnte bereits die Lokomotive erkennen. »Wenn der auf unserem Gleis fährt, rammt er uns! Fahr, los, fahr!«
Manzano erkannte die Gefahr auch. Ohne die Weiche umgestellt zu haben, gab er erneut Gas. Ihr Schienenauto setzte sich träge in Bewegung. Der Zug hinter ihnen war vielleicht nur noch hundert Meter entfernt.
»Schneller!«, rief Shannon.
Wieder überfuhren sie die Weiche, Shannon spürte die Beschleunigung des Wagens. Kurz vor der Weiche hielt der andere Zug an. Erleichtert atmete Shannon aus.
»Wo fährt der hin?«
»Vielleicht auch nach Brüssel«, antwortete Shannon.
»Wir sollten ihn fragen.«
Zum zweiten Mal setzte er auf der Strecke zurück. Beim Näherkommen sahen sie Dutzende Güterwaggons hinter der Lokomotive. Deren Dächer waren seltsam unregelmäßig geformt, wie von unzähligen Stacheln überwachsen. Als sie die Lok erreichten, stellte ein Mann gerade die Weiche um.
»Wohin fahren Sie?«, rief Shannon auf Französisch aus dem Seitenfenster.
»Brüssel«, erwiderte der andere.
»Da sollten wir uns dranhängen«, schlug sie Manzano vor.
Während der Zug an ihnen vorbeifuhr, erkannte Shannon, um was es sich bei den Erhebungen auf den Dächern handelte.
»Das sind Menschen!«, rief sie.
Hunderte bevölkerten als illegale Passagiere den Zug.
»Wie in Indien«, bemerkte Manzano. »Nur frieren die hier wie Schneider!«
Der lange Güterzug benötigte einige Minuten, bis er sie passiert hatte. Manzano kehrte zurück hinter die Weiche und folgte dem letzten Waggon.
»Vielleicht frieren wir auch bald dort oben«, sagte er.
»Warum?«
Manzano wies sie auf die Tankanzeige hin. Sie leuchtete im Reservebereich.
»Verdammt! Dazu müssten wir erst einmal umsteigen.«
»Hoffentlich reicht der Sprit noch bis zur nächsten Weiche, an der der Zug halten muss.«
Berlin
»Oh, mein Gott«, stieß Michelsen hervor.
»Wie konnte das geschehen?«, fragte der Bundeskanzler. Sein Gesicht war kreidebleich.
»Wie es scheint, gab es einen Unfall«, erklärte der Staatssekretär des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. »Wir bekamen die Bilder gerade vom GMLZ . Zunächst nicht im Kraftwerk selbst. Von dort kam nur ein nervöser Anruf, wo der Dieselnachschub blieb. Die ausgesandte Streife fand nur noch die Reste eines Infernos.«
Auf dem Bildschirm erschienen Fotos verkohlter Lkw-Skelette, die über eine Autobahn und die benachbarten Felder verteilt lagen. Einige Anwesende verzogen entsetzt ihre Gesichter, andere schüttelten betroffen den Kopf.
»Wir wissen nicht, wie es dazu kam«, sagte der Staatssekretär. »Die Untersuchungen laufen noch. Die drei Tanklastwagen hatten Anhänger und wurden von zwei Einsatzwagen, vorn und hinten, mit je zehn Mann Besatzung begleitet.«
Er zeigte auf zwei der schwarzen Trümmer in den Feldern.
»Es gibt keine Überlebenden. Die Untersuchung wird eine Weile andauern. Für sie stehen kaum Kräfte und Material zur Verfügung.«
»War es ein Unfall oder ein Angriff?«, fragte der Bundeskanzler.
»Können wir gegenwärtig nicht sagen. Tatsache ist, dass von der Nachfrage des AKW s Philippsburg bis zum Auffinden der Unglücksstelle zehn Stunden vergingen.«
»Himmel, wieso so lang?«
»Weil da draußen niemand mehr weiterkann!«, stöhnte der Staatssekretär. »Weil immer weniger überhaupt noch zur Verfügung stehen. Weil der BOS -Funk in vielen Gebieten versagt. Weil …« Ihm versagten die Worte, seine Lippen begannen zu zittern, er kämpfte mit den Tränen.
Bitte hier jetzt keinen Nervenzusammenbruch, betete Michelsen lautlos. Sie hatten bereits zwei Leute so verloren.
»Der nächste Dieseltransport konnte erst heute Vormittag losgeschickt werden und wird Philippsburg frühestens in sechs Stunden erreichen.«
Auf dem Bildschirm erschien ein großes Becken, das an ein Hallenbad erinnerte.
»Das ist das Abklingbecken für ausgediente Brennstäbe im Kernkraftwerk Philippsburg 1. Hier lagern
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